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Wer stirbt, entscheidest du

Wer stirbt, entscheidest du

Titel: Wer stirbt, entscheidest du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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das Blut in Strömen über Purcells Bauch.
    Es sickerte in den gleißend weißen Schnee.
    Brian starb auf einem blitzblank geputzten Küchenboden.
    Der Killer bebte jetzt am ganzen Körper. Ich schaute ihm ins Gesicht und gab ihm in meinen Augen den Tod zu erkennen. Er sah mir die Mordlust an, die er heraufbeschworen hatte.
    «Ich schlage dir ein Geschäft vor», sagte ich. «Du verrätst mir, wo meine Tochter ist, und ich nehme dir die Fesseln ab. Dann kannst du versuchen, mich fertigzumachen. Wenn es dir gelingt – mein Pech. Aber vielleicht gelingt es dir ja auch nicht, aber dann stirbst du wenigstens im Kampf und nicht wie ein an deine Hauswand gefesseltes Schwein. Ich zähle jetzt bis fünf. So lange hast du Zeit, dich zu entschieden. Eins. »
    «Von mir erfährst du nichts», knurrte Purcell. Diesmal zuckte ich mit den Achseln, und weil mir einfach so danach war, rasierte ich ihm ein großes Stück aus seiner dichten braunen Wolle auf dem Kopf. «Zwei.»
    Er zuckte zusammen, ließ sich aber anscheinend nicht beirren. «Du machst mich doch sowieso kalt.»
    Von seinem Haarschopf ging ein weiterer Teil verloren, vielleicht auch ein Stück vom Ohr. «Drei.»
    «Fotze.»
    «Stock und Steine brechen Beine …» Sein Haaransatz rutschte drei Fingerbreit zurück. Ich kam immer mehr in Fahrt und lupfte seinen Skalp an. «Vier.»
    «Ich habe deine Tochter nicht!», brüllte Purcell. «Ich vergreife mich nicht an Kindern. Das habe ich denen von Anfang an klargemacht. Keine Kinder.»
    «Wo ist sie dann?»
    «Du bist doch der verfickte Cop. Müsstest du das nicht selbst wissen?»
    Zack, und wieder war ein Büschel Haare weg, wahrscheinlich auch ein bisschen Schwarte. Blut rann und tropfte in den Schnee, den es rosa verfärbte.
    Ich fürchtete, nie wieder frisch gefallenen Schnee sehen zu können, ohne dass der Anblick Brechreiz in mir auslösen würde.
    Purcell jammerte und zerrte an den Fesseln. «Du hast den falschen Leuten vertraut. Und jetzt quälst du ausgerechnet mich? Ich habe dir doch einen Gefallen getan. Dein Mann war ein Versager. Dein Freund von der Polizei hat dich noch mehr beschissen. Hast du dich mal gefragt, wie ich in dein Haus kommen konnte, du blöde Fotze? Glaubst du, dein Mann hätte mich so ohne weiteres reingelassen?»
    Ich hielt inne und starrte ihn an. Plötzlich fand sich auch das letzte große Puzzlestück. Der Vorfall am Samstagmorgen hatte mich so traumatisiert, dass ich zu keinem logischen Gedanken imstande gewesen war. Ich hatte es versäumt, den Tathergang zu analysieren.
    Brian hatte längst gewusst, dass ihm Ärger ins Haus stand, und sich mit seiner Gewichtstemmerei und dem Kauf einer Glock, Kaliber .40, darauf einzustellen versucht. Er war hypernervös und reizbarer gewesen. Ja, er wusste, dass er viel zu weit gegangen war. Normalerweise hätte er einem Mann wie John Stephen Purcell nie und nimmer die Tür geöffnet, schon gar nicht in Anbetracht der Tatsache, dass Sophie im Haus war.
    Aber Sophie war doch gar nicht im Haus, als ich zurückkehrte.
    Sie war bereits verschwunden. Purcell hatte allein in der Küche gestanden und mit der Waffe auf Brian gezielt. Sophie war nicht mehr da, verschleppt von einer zweiten Person, die mit Purcell gekommen sein musste. Von jemandem, dem Brian sorglos die Tür geöffnet hatte. Von jemandem, der Zugriff auf die Gewerkschaftsgelder hatte und Shane gut kannte. Der sich so stark fühlte, dass er darauf baute, alle involvierten Parteien kontrollieren zu können.
    Anscheinend war ich bleich geworden, denn Purcell fing auf einmal an zu lachen. Es rasselte dabei in seinen Bronchien.
    «Na, endlich begriffen», schnarrte er. «Ich bin nicht das Problem. Das sind die Männer in deiner näheren Umgebung.»
    Er lachte wieder, was mit all dem Blut, das ihm durchs Gesicht rann, zum Fürchten aussah. So verrückt, wie ich mich fühlte. Wir waren beide die Verlierer. Soldaten an der Front, missbraucht, verheizt und betrogen von Generälen.
    Die Entscheidungen trafen andere. Wir zahlten nur den Preis.
    Ich legte das Messer weg, gleich neben die Flinte. Die Schmerzen im rechten Arm pulsierten. Ich hatte auf die Schusswunde keine Rücksicht genommen; sie blutete wieder. Ich spürte, wie es nass über den Arm rann. Noch mehr pinkfarbene Flecken im Schnee.
    Lange würde ich es nicht mehr machen, das wusste ich, hatte aber wie Purcell keine Angst. Ich hatte mich in mein Schicksal ergeben.
    «Trooper Lyons ist tot», sagte ich.
    Purcell hörte zu lachen auf.
    «Wie

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