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Wer stirbt, entscheidest du

Wer stirbt, entscheidest du

Titel: Wer stirbt, entscheidest du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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gingen die Lichter aus. Für Familie Leoni war der Tag zu Ende.
    Ich lernte früh, darauf zu verzichten, Klassenkameraden zu mir einzuladen. Und ich lernte, mich still zu verhalten.
    Es war heiß an jenem Tag im Juli, und ich hatte einen weiteren endlosen Tag vor mir. Andere Kinder vergnügten sich wahrscheinlich in irgendeinem Sommerlager oder planschten im Stadtbad. Die besonders glücklichen waren mit gut gelaunten Eltern vielleicht an den Strand gefahren.
    Ich hockte im Baum.
    Ein Mädchen kam auf einem schicken pinkfarbenen Tretroller vorbei. Blonde Zöpfe flatterten unter ihrem dunkelvioletten Helm. Sie blickte zu mir auf, sah meine dünnen Beine und bremste ab.
    «Ich heiße Juliana Sophia Howe», sagte sie. «Ich wohne jetzt auch hier in der Straße. Besuch mich doch mal. Wir könnten dann zusammen spielen.»
    Ich besuchte sie.
    Juliana Sophia Howe war wie ich acht Jahre alt. Ihre Eltern waren vor kurzem von Harvard nach Framingham umgezogen. Ihr Vater arbeitete als Buchhalter, ihre Mutter kümmerte sich um den Haushalt und schmierte Butterbrote.
    Wir waren uns schnell einig und spielten immer bei Juliana zu Hause. Sie hatte einen größeren Garten mit einer Sprinkleranlage für den Rasen. Es gab da sogar eine Wasserrutsche. Wir konnten stundenlang miteinander spielen. Ihre Mutter machte uns Limonade, die wir mit rosaroten Strohhalmen tranken, oder schnitt eine große, grüne Wassermelone für uns auf.
    Juliana hatte einen elfjährigen Bruder, Thomas, eine schreckliche Nervensäge. Außerdem hatte sie fünfzehn Vettern und Cousinen und jede Menge Tanten und Onkel. An besonders heißen Tagen traf sich die ganze Familie bei der Großmutter in South Shore, wo dann alle am Strand lagen. Manchmal fuhren wir auch Karussell.
    Ich hatte weder Vettern noch Cousinen, Tanten, Onkel oder eine Großmutter, die in der Nähe von South Shore wohnten. Ich hatte nur ein kleines Geschwisterchen, vier Jahre jünger als ich. Aber es war ganz blau angelaufen, als es zur Welt kam, und die Ärzte mussten es begraben. Meine Mutter verzog sich daraufhin in ihr Schlafzimmer. Manchmal weinte sie am helllichten Tag, manchmal mitten in der Nacht.
    Mein Vater meinte, ich sollte nicht darüber reden. Eines Tages entdeckte ich im Dielenschrank hinter der Bowlingkugel meines Vaters einen Schuhkarton, in dem ein blaues Mützchen, eine kleine blaue Decke und zwei kleine blaue Schuhe lagen. Außerdem war da ein Foto von einem Neugeborenen mit weißem Gesicht und roten Lippen. An den unteren Rand hatte jemand den Namen Joseph Andrew Leoni geschrieben.
    Ich hatte also vermutlich einen kleinen Bruder namens Joey, aber der war gestorben. Seit seinem Tod weinte meine Mutter, und mein Vater arbeitete nur noch.
    Juliana machte sich ihre Gedanken und fand, dass für den kleinen Joey eine anständige Messe gefeiert werden müsse. Sie holte ihren Rosenkranz und zeigte mir, wie man den kleinen grünen Perlenstrang um den Finger wickelt und ein Gebet dazu spricht. Dann sangen wir das Lied «Away in the Manger», denn es handelte von einem Baby, und wir kannten immerhin die erste Strophe. Schließlich musste auch noch eine kleine Ansprache gehalten werden.
    Juliana hatte eine solche Rede schon einmal gehört, nämlich bei der Trauerfeier für ihren Großvater. Sie dankte Gott, dass er den kleinen Joey zu sich genommen hatte, und sagte, es sei gut so, denn er müsse nicht leiden. Er habe es bestimmt toll im Himmel; da könnte er Poker spielen und auf uns herabblicken.
    Dann fasste sie mich bei den Händen und sagte, dass sie mit mir den Verlust betrauern würde.
    Ich fing zu weinen an und schluchzte so laut, dass ich mich selbst erschreckte. Aber Juliana tätschelte mir den Rücken. Ist ja gut, sagte sie. Dann weinte sie mit mir. Schließlich kam ihre Mutter, um zu sehen, warum wir so viel Lärm machten. Ich dachte schon, Juliana würde alles verraten, aber stattdessen meinte sie nur, dass wir Notfall-Schokoladen-Chips haben müssten. Ihre Mutter ging daraufhin nach unten und holte uns welche.
    So eine Freundin war Juliana Sophia Howe für mich. Man konnte sich bei ihr ausheulen und darauf vertrauen, dass sie es nicht weitersagte. Man konnte mit ihr im Garten spielen und sich darauf verlassen, dass sie das beste Spielzeug mit einem teilte. Man konnte bei ihr zu Hause sein und hatte Anschluss an die Familie.
    Später als ich in den Wehen lag und ganz allein war, stellte ich mir vor, Juliana würde meine Hand halten. Und als ich meine Tochter schließlich in

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