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Wer stirbt, entscheidest du

Wer stirbt, entscheidest du

Titel: Wer stirbt, entscheidest du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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den Knast zu schmuggeln war nicht schwer. Jedem Häftling standen in der Woche fünfzig Dollar für Kantineneinkäufe zu. Die meisten gaben sie für asiatische Nudeln, Turnschuhe oder Toilettenartikel aus. Mit Hilfe von draußen war es kein Problem, in der Würzpackung für die Nudeln oder im Schraubverschluss der Handlotion eine Prise Rattengift unterzubringen.
    Erica würde mich ablenken und das Zeug unter mein Essen mischen. Oder es könnte auch sein, dass mir Sheera im Aufenthaltsraum einen mit Erdnussbutter beschmierten Toast anbot.
    Arsen ließe sich allen möglichen Cremes, Haarwässerchen oder Zahnpasten beimengen. Jedes Mal, wenn ich mir die Haut eincremen, die Haare waschen oder die Zähne putzen würde …
    Sind das die ersten Anzeichen dafür, dass man verrückt wird? Dass einem klarwird, auf wie viele Arten man abtreten kann?
    Und dass kein Hahn danach kräht?
    Acht-dreiundzwanzig am Abend. Allein auf meiner Matratze unter dem vergitterten Fenster. Die Sonne war längst untergegangen. Unerbittlich helles Neonlicht, und ich starrte durch das Glas nach draußen in die kalte Dunkelheit.
    Und wünschte einen Moment lang, die dicken Stäbe auseinanderbiegen, durchs hohe Fenster steigen und vom neunten Stockwerk aus in die frische Märznacht über der brodelnden Innenstadt Bostons hinausfliegen zu können.
    Mich einfach fallen zu lassen.
    Ich presste eine Hand ans Glas und starrte in die pechschwarze Nacht. Und stellte mir vor, dass Sophie irgendwo da draußen in dasselbe Dunkel blickte, vielleicht sogar spüren würde, dass ich sie zu erreichen versuchte, dass ich sie liebte und alles daran setzte, sie zu finden. Meine Sophie, ich würde sie retten und befreien wie damals aus dem Kofferraum.
    Aber bis es dazu kommen würde, mussten wir beide tapfer sein.
    Brian müsse sterben, hatte mir der Mann Samstagmorgen in meiner Küche gesagt. Brian sei ein schlechter Kerl und habe den Tod verdient. Wir aber, Sophie und ich, könnten leben. Ich müsse nur das tun, was er von mir verlangte.
    Sie hatten Sophie in ihrer Gewalt. Zurückgewinnen konnte ich sie nur, wenn ich mich selbst bezichtigte, meinen Mann getötet zu haben. Sie hatten sich alles genau ausgedacht. Ich könnte behaupten, in Notwehr gehandelt zu haben, und entsprechende Indizien bereithalten. Damit käme ich wahrscheinlich durch, und dann würde Sophie auf wundersame Weise wieder auftauchen und zu mir zurückkehren. Meinen Dienst müsste ich wohl quittieren, aber, was soll’s?, ich hätte ja schließlich meine Tochter wieder.
    Ich hatte dem nichts entgegenzuhalten gehabt, als ich in der Küche stand, betäubt von der Detonation und angeekelt vom Schießpulver- und Blutgestank, der meine Nasenflügel blähte. Ich hatte zu allem ja gesagt.
    Ich wollte einfach nur Sophie.
    «Bitte», hatte ich gefleht, gebettelt in meinem eigenen Haus. «Tu ihr nichts. Ich mache alles, was ihr wollt. Aber schone meine Tochter.»
    Inzwischen war mir natürlich klar, wie töricht ich mich verhalten hatte. Brian stirbt, und ein anderer übernimmt die Schuld an seinem Tod? Wenn er denn sterben musste, warum nicht die Bremsen an seinem Wagen manipulieren oder einen «Unfall» inszenieren, wenn er das nächste Mal Ski fuhr? Brian war die meiste Zeit über allein und hätte dem Mann in Schwarz zahllose Möglichkeiten geboten, ihn kalt zu erwischen. Warum ihn in unserer Küche erschießen und seine Frau zwingen, die Schuld auf sich zu nehmen?
    Sophie würde auf wundersame Weise wiederauftauchen? In einem Supermarkt etwa, zwischen Regalen umherirrend oder an einer Autobahnraststätte? Die Polizei würde sie natürlich befragen, und Kinder waren, wie jeder wusste, unzuverlässige Zeugen. Vielleicht hatte ihr der Mann eingeschärft, nichts zu sagen. Aber wieso ging er ein solches Risiko ein?
    Ganz zu schweigen von dem Risiko, dass ich darstellte, wenn meine Tochter wieder bei mir wäre. Was hielt mich davon ab, zur Polizei zu gehen und die Wahrheit zu sagen?
    Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass jemand, der so kaltblütig war, einem Mann dreimal in die Brust zu schießen, solche Risiken auf sich nehmen würde.
    So jemand musste eine Menge in der Hinterhand haben.
    Was hatte Brian getan? Warum hatte er sterben müssen?
    War ihm zumindest in den letzten Sekunden seines Lebens bewusst geworden, in welche Gefahr er auch mich und Sophie gebracht hatte?
    Ich spürte die Gitterstreben an der Hand, keine runden Stäbe, wie ich geglaubt hatte, sondern dicke Metallstreifen.
    Der Mann

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