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Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater

Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater

Titel: Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Fischen, die du aus dem Meer holst und noch lebend verschlingst. Stell dich nicht so an, Vogel!«
    Er ging zur Hütte zurück, entfachte das mit Steinen und Blättern abgedeckte Feuer, indem er kräftig in die Glut blies und gleichzeitig trockene Zweige in die Asche steckte, sengte dann über der aufzüngelnden Flamme die Federn ab und nahm die Ente aus. Während er den Balg über dem Feuer drehte, blickte er über das ruhige, in der Morgensonne gleißende Meer und dachte an Anne Perkins. Er dachte immer an sie, er kam nicht davon los.
    »Sie ist eine schöne Frau«, sagte er zum Meer hinüber. »Es ist merkwürdig, wie sich die Welt verändert, wenn plötzlich eine Frau auftaucht. Nicht daß ich mit ihr sofort schlafen möchte, nein, daran denke ich nicht. Und du brauchst dich auch nicht abzuwenden, Vicky. Dich und die Kinder vergesse ich nie. Wer kann euch vergessen?! Aber eine Frau, die plötzlich da ist, einfach nur so da, versteht ihr, ein schönes Lebewesen, etwas Atmendes, Sprechendes, Lachendes, Weinendes, ganz einfach etwas Schönes, kann alle Gedanken in eine neue Richtung lenken. Die Welt rundet sich wieder. Das ist eigentlich eine Erkenntnis von ergreifender Großartigkeit.«
    Er blickte hoch. Ein Schatten fiel über den Federbalg des Vogels. Shirley stand da, breit, gedrungen, die Hände in den Hosentaschen, nur mit dem zerrissenen Unterhemd über der breiten Brust. Jetzt, da Bäcker ihn zum erstenmal richtig auf den Beinen sah, ausgeschlafen, sichtlich erholt, nicht mehr von der See aufgeweicht und entnervt, wirkte Shirley gar nicht wie ein Polizist, eher wie ein Kerl aus grauer Zeit, als man mit Steinhämmern und Meißeln Runen in Felsplatten schlug.
    Der hat Kraft, dachte Bäcker. Seine Oberarme sind voller Muskeln, zwei runde Pakete. Man sollte sie nicht übersehen und schon gar nicht unterschätzen.
    »Für eine Suppe?« fragte Shirley.
    »Wenn Sie Nudeln dazu besorgen, Paul …«
    »Mr. Holdson, der Laden um die Ecke, bekommt die neue Sendung erst nächste Woche herein.«
    »Also braten wir den Vogel.«
    Eine dumme Unterhaltung, dachte Bäcker. Was will er? Natürlich über Anne sprechen, was sonst? Warum aber die Umwege? Er mißtraut mir, das ist klar. Er glaubt, ich bin verrückt auf die Frau und warte nur darauf, sie im Bett zu haben. Und damit bin ich auch sein Feind, es geht gar nicht anders. Wir drei allein auf Viktoria-Eiland, das kann die Hölle sein. Drei Menschen, die da anfangen, wo Gott vor sieben Tagen aufgehört hat, und keiner von ihnen hat eine Chance, wegzulaufen. Wir müssen uns ertragen, mit unseren Lüsten und Leidenschaften, unserer Dummheit und unserem Haß.
    Es gibt keine Paradiese, es gibt nur maskierte Höllen.
    »Anne hat Ihnen gesagt, daß sie unschuldig ist?« fragte Shirley.
    »Das ist ihr gutes Recht.«
    »Sie behauptet das seit drei Monaten.«
    »So lange sitzt sie schon in Haft?«
    Shirley winkte lässig ab. »Hat sie Ihnen erzählt, wie alles gekommen ist? Die Sache mit dem blutigen Kleid, das ein Hund aus dem Garten gebuddelt hat?«
    »Sie hat gar nichts erzählt, Paul. Es interessiert mich auch nicht.«
    »Warum lügen Sie, Werner? Natürlich interessiert es Sie. Sie denken an nichts anderes. Sie werden ab jetzt jede Nacht davon träumen.«
    »Also gut, wenn Sie durchaus wollen: Ja, es interessiert mich. Zufrieden?«
    Bäcker nahm den Vogel vom Feuer, dehnte den Bauchschnitt aus und rieb das Fleisch von innen mit Meersalz ein.
    »Sie sollten dort oben nach Bambussprößlingen suchen«, sagte er dabei und zeigte auf die Böschung. »Sie wissen doch, wie köstlich sie schmecken.«
    »Ein Festmahl!« Shirley blieb in der Sonne stehen, breitnackig, gedrungen, mit Beinen wie kleine Säulen. »In der Zelle von Atuana hat sie Reis und gekochten Fisch bekommen. Drei Monate lang. Ich fürchte, sie wird sich den Magen verderben an diesem Luxusessen.«
    »Heute ist Sonntag –«, sagte Bäcker. »Wußten Sie das?«
    »Beim Himmel, nein! Führen Sie einen Kalender?«
    »Ich will wissen, wie alt ich auf meiner Insel werde. Eine völlig egoistische Statistik.«
    »Soll das heißen, daß Sie für immer hierbleiben wollen?«
    Shirleys Stimme bekam einen härteren Klang. Er schien zu ahnen, daß mit seiner Rettung aus dem Meer die Schwierigkeiten erst begonnen hatten.
    »Danach fragt mich keiner, Shirley. Ich bin hier, und ich sehe keine Möglichkeit, wie ich von hier wegkommen kann. Ich habe um alles und gegen alles gekämpft … nur diese eine Tatsache ist nicht zu

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