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Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater

Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater

Titel: Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Gerichtes unwürdig! Außerdem unterschätzen Sie mich, Werner. Ich sehe zwar nicht imposant und ziemlich dämlich aus, aber ich war Boxmeister von Papeete. Mittelgewicht. Einige gute Schläge beherrsche ich noch immer.«
    Bäcker wandte sich ab und ging den Hang entlang. Durch den Hohlweg hinkte er hinauf in den Wald und setzte sich dort an den Rand der Böschung. Er konnte von hier aus seitlich unter sich das Dach seiner Hütte sehen. Der Mond warf Silber über sie.
    »Der Frieden ist hin!« sagte er laut gegen den immer wehenden Wind. »Mein Gott, man kann doch nicht für jeden Menschen eine Insel machen …«

X
    Auch in dieser Nacht schlief er kaum.
    Er saß auf der Böschung, allein, sah die Flut kommen und den Mond wandern und vermißte seinen treuen Albatros. Jetzt hätte er viel mit ihm zu reden gehabt, aber nachts flog der Vogel weg, zurück zu seinem Schwarm jenseits der Felsennase. Er hatte dort sein Nest, und sicherlich gab es dort auch eine Menge Weibchen. Der Himmel mochte wissen, dachte Bäcker, warum er lieber bei mir, einem Menschen, ist als bei seinesgleichen. Vielleicht gibt es auch bei Vögeln so etwas wie Perversitäten, und dieser Albatros ist ein Schwuler. Man sollte das mal erforschen.
    »Jetzt, gerade jetzt brauche ich dich, Vogel«, sagte Bäcker in die Nacht hinein. »Und jetzt bist du nicht da. Mit keinem Menschen kann man sich so unterhalten wie mit dir. Die Juden sind kluge Menschen, sie haben ihre Klagemauer, ihr können sie alles sagen, und sie hört immer zu, ist geduldig, sanftmütig, beruhigend. Sie saugt alle Probleme in ihren Steinen auf, bis der Mensch sich frei fühlt wie ein gefegter Ofen. So etwas fehlt uns: In jeder Wohnung eine Wand, an der man sich abreagieren kann.«
    In der Nacht sah er, wie Shirley einmal aufstand, die Böschung ein Stück entlangging, fast genau unter ihm stehenblieb, die Hose aufknöpfte und pinkelte. Er schwankte dabei, etwas schlaftrunken, voll Vertrauen auf den Frieden um sich herum.
    Wenn ich ihm jetzt einen Stamm auf den Kopf rolle, dachte Bäcker, habe ich ein Problem weniger. Dann sind wir nur noch zwei. Ein Mann und eine Frau. Damit hat alles begonnen, das ist gottgewollt. Aber dann wird eines Tages doch jemand kommen, ein Flugzeug oder ein Schiff, man wird uns zurückholen in die laute Welt, und siehe da: Aus dem Paradies kehren zwei Mörder zurück! Das wäre die verrückteste Geschichte vom Frieden.
    Er ärgerte sich über diesen Gedanken, empfand sogar so etwas wie Scham, bat Shirley insgeheim um Verzeihung und ließ ihn wieder zurück zur Hütte wanken.
    »Vogel, du fehlst mir –«, sagte Bäcker leise und warf sich zurück in die weichen Farne. »Wenn du wüßtest, wie groß die Versuchung ist, zu Anne in die Hütte zu schleichen –«
    Er dachte daran wie an ein herrliches Märchen und schlief darüber ein.
    Anne Perkins weckte ihn. Ihr Haar war naß und klebte um das schmale Gesicht. Die braunen Augen glänzten. Sie hatte nackt im Meer gebadet, im goldenen Sonnenaufgang, und er hatte es verschlafen.
    Vielleicht war es gut so, dachte er und schielte auf ihre jugendlichen Brüste unter dem geblümten Kleid. So bleibt sie mir noch fremd. Der Anblick ihres nackten Körpers hätte mich zu ihrem Komplizen gemacht.
    »Wo ist Shirley?« fragte er.
    »Er schläft noch vor der Tür. Ich bin über ihn weggestiegen, und er hat sich nicht gerührt. Als Wächter taugt er nichts.« Sie setzte sich neben ihn. Die Sonne trocknete ihr Haar. Er konnte es riechen und es roch gut. »Sie wollen ein Floß bauen?«
    »Hat er das gesagt?«
    »Ja. Ein Floß bedeutet für mich den Tod oder lebenslänglich.«
    »Noch sind Sie nicht verurteilt, Anne.«
    »Das ist nur eine Frage der Zeit.«
    Er sah sie forschend an. »Haben Sie Yul Perkins ermordet?«
    »Nein.«
    »Mit einem Malaiendolch?«
    »Ich habe nie einen Malaiendolch in der Hand gehabt. Ich habe genug von ihnen gesehen, und ich habe sie immer gehaßt. Sie sehen nach Mord aus.«
    »Ich werde es tun!« sagte Bäcker laut und stand auf. Anne blickte an ihm hoch. Sie hat einen schönen Mund, der sich ungeheuer beherrschen kann, dachte er.
    »Was?« fragte sie.
    »Ich werde mit Shirley sprechen.«
    »Was wollen Sie mit ihm sprechen?«
    »Sie werden es bald erfahren, Anne. Bleiben Sie hier oben, bis ich Sie rufe. Ich wecke Shirley.«
    »Sie hat gebadet –«, sagte Shirley. Er lag auf der Decke und gähnte. »Früher hätte mich das aufgeregt; heute ist es mir egal. Von mir aus können sie die Haie fressen.« Er

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