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Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater

Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater

Titel: Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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es nicht –«, sagte sie. »Es ist alles so hoffnungslos, wenn einem keiner glaubt. Bitte, glauben Sie mir wenigstens, Werner. Ich bin keine Mörderin …«

IX
    Bäcker nahm sich vor, das alles nachzuprüfen.
    Es hatte keinen Sinn, mit Anne darüber zu diskutieren, ob eine Frau, die schöne Augen hat, eine Mörderin sein kann oder nicht. Sie hat nicht mit den Augen gemordet, dachte er, sondern mit einem Malaiendolch ihrem Mann die Kehle durchgeschnitten. Dazu gehört mehr Härte, als Shirley und ich zusammen haben. Ich könnt's nicht. Und was heißt das: die Augen?! Da sagt man, in den Augen spiegele sich die Seele, und vielleicht war das mal so, als der Mensch noch wirklich glaubte, eine Seele zu haben. Aber das hat sich alles geändert, man ist heute verdächtig, wenn man von Seele spricht, und noch nie hat es so viele Psychiater, Psychologen und Psychotherapeuten gegeben, die alle davon leben, daß keiner mehr weiß, ob er eine Seele hat.
    Bis zum Abend vermied es Bäcker, mit Anne oder mit Shirley zu sprechen. Auch die beiden gingen sich aus dem Weg … Shirley ging zum Meer, besichtigte den Wald auf der Anhöhe und sah Bäcker zu, wie er Vogeleier suchte; Anne saß meistens unter dem Blätterdach, starrte über die See, sprach ein paarmal mit dunkler zärtlicher Stimme auf den Albatros ein, der neugierig und ohne Scheu vor ihr hin und her hüpfte, aber nicht näher als bis auf zwei Meter an sie herankam.
    Nach der kurzen Abenddämmerung standen alle unschlüssig herum, bis Bäcker die Situation löste und in seine Hütte ging. Wenn Anne hinterherkam, war es gut. Sie auffordern wollte er nicht – er scheute die erneute Diskussion und ihre bohrende Frage: »Glauben Sie, daß ich meinen Mann umgebracht habe?«
    Anne Perkins kam nicht in die Hütte. Sie legte sich unter die aufgespannte Gummiinsel, zog die Decke, die ihr Bäcker gegeben hatte, über sich, verkroch sich unter sie und schlief. Paul Shirley suchte sich einen Platz hinter der Hütte, von wo er Anne sehen konnte. Als er Bäcker in der Hütte rumoren hörte, klopfte er gegen die Bambuswand.
    »He –«, sagte er leise. »Hören Sie mich, Bäcker?«
    »Ja. Was wollen Sie, Shirley?«
    »Wie ist das mit unserer abwechselnden Wache?«
    »Blödsinn ist das! Was soll passieren?«
    »Ich habe nicht gern meinen Kopf zwischen den Beinen liegen.«
    »Das Beil liegt unter meinem Bett. Sie können ruhig schlafen.«
    »Ruhig! Sie Gemütsathlet! Und wenn sie ins Meer rennt?«
    »Was soll sie da?«
    »Sich das Leben nehmen. Sie weiß, was sie in Papeete erwartet.«
    »Es gibt schönere Todesarten, als sich von Haien zerfleischen zu lassen. Außerdem macht sie nicht den Eindruck, daß sie unbedingt darauf erpicht ist zu sterben. Das hätte sie beim Flugzeugabsturz leicht haben können –«
    »Stimmt. Meine Nerven sind noch elektrisiert, Bäcker. Entschuldigen Sie. Schlafen Sie gut.«
    »Sie auch, Shirley.«
    Bäcker legte sich in sein federndes Bambusbett, aber es dauerte lange, bis er einschlief.
    Natürlich kann sie ihren Mann getötet haben, dachte er. Was haben da schöne Augen und weiche Lippen zu sagen? Es ist unfaßbar, daß so eine Frau mit einem Dolch einem Mann die Kehle durchschneidet, mit diesen schlanken, feingliedrigen Händen, die man kaum zu drücken wagt. Vielleicht war es Notwehr, oder irgend etwas trieb sie dazu … Er drehte sich auf die Seite, ärgerte sich, daß er sich dabei ertappte, an Annes Schuld zu glauben, und klopfte mit den Fingerknöcheln an die Hauswand.
    »Shirley?« rief er.
    Aber Shirley schlief. Draußen rauschte das Meer … die Flut lief.
    Mit diesem ewigen Rauschen kam auch über ihn der Schlaf.
    Bei Sonnenaufgang erhob sich Bäcker und verließ seine Hütte. An der Böschung schnarchte Shirley … unter der Gummiinsel, völlig unter der Decke vergraben, lag Anne Perkins. Der Albatros wartete schon vor der Tür, sein Gefieder war naß, er hatte im Meer gebadet und seine Portion Fische gestoßen.
    »Es wird verdammt unruhig werden, Vogel«, sagte Bäcker. »Gestern haben wir drei Menschen uns einander nur vorgestellt … aber heute werden wir uns kennenlernen.«
    Er nahm Pfeil und Bogen, ging etwas abseits den Strand entlang zu den Felsen und Korallenriffen und schoß dort wieder einen entenähnlichen Vogel. Der Albatros, der ihn wie immer begleitet hatte, stieß einen Schrei aus und wandte sich ab, als sei er angewidert.
    »Sei nicht ungerecht«, sagte Bäcker und zog den Pfeil aus der toten Flugente. »Du lebst auch von

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