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Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater

Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater

Titel: Wer stirbt Palmen ... 1: Der Vater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Sonnenuntergang beobachtete. Wenn es dunkel wurde, flog der Vogel davon zu den schwarzen Felsen.
    »Lassen Sie den Vogel in Ruhe!« sagte Bäcker. »Er ist mir zehnmal lieber als Sie.«
    »Ach! So ist das also? Ihr Herz hängt an ihm? Das kann man ändern.«
    Shirley trat auf den Albatros zu, hob einen langen Ast, schwang ihn über seinem Kopf und rief dabei lockend: »Komm her, mein Vögelchen, komm her. Ei, mein schönes Vögelchen … komm her –«
    »Shirley!« brüllte Bäcker.
    Er wollte sich auf ihn stürzen, stolperte über sein verkürztes Bein, ruderte mit den Armen, um im Gleichgewicht zu bleiben, und im gleichen Augenblick ließ Shirley den Ast niedersausen und traf den Vogel auf dem Kopf.
    Lautlos fiel der Albatros um. Der Schnabel klaffte auf, ein Blutfaden sickerte über die Zunge, die schwarzen Augen brachen. Er blieb auf dem Rücken liegen.
    »Sie elender Schuft!« schrie Bäcker. »Was hat Ihnen der Vogel getan? Sie verdammter Mistkerl!«
    Er hatte sich gefangen und stürzte sich jetzt wutentbrannt auf Shirley. Aber der war stärker, er empfing Bäcker mit einem Faustschlag, genau in die Magengrube, und schleuderte ihn damit neben den toten Vogel in den Sand. Gleich danach warf er sich herum, um gegen einen Angriff von Anne gewappnet zu sein.
    Anne rührte sich nicht … starr, aber mit einem Blick, den Shirley langsam zu fürchten begann, saß sie vor ihren Palmenzweigen. Bäcker erhob sich ächzend, taumelte um den Vogel herum und schnappte nach Luft. Ihm war speiübel.
    Shirley streckte die Fäuste vor.
    »Noch einen?« schrie er.
    »Und Sie reden von Mord?« sagte Bäcker mühsam.
    »So ein dämlicher Vogel!«
    »Es gibt mehr dämliche Menschen!«
    »Er war Ihr Freund, was?« Shirley grinste zufrieden. »Gerade deshalb mußte er dran glauben. Vielleicht erkennen Sie jetzt, daß überall das Recht des Stärkeren herrscht. Denken Sie realistisch, Bäcker! Auch auf Viktoria-Eiland.«
    Shirley bückte sich und hob das Beil auf. Er blies den feinen Sand von der Schneide und ließ es dann in der Hand wippen.
    »Ich gehe jetzt in den Wald und fälle noch zwei Bäume«, sagte er. »Inzwischen können Sie sich ausweinen, Werner.«
    »Einmal rechnen wir ab, Shirley!« sagte Bäcker. »Bis zu dieser Minute waren Sie ein Vertreter des Gesetzes, jetzt sind Sie in meinen Augen nur noch ein ganz mieser Kraftmeier und ein Charakterschwein. Aber ich zahle Ihnen alles heim, verlassen Sie sich darauf!«
    »Zuerst bauen wir das Floß!« Shirley schwang das Beil durch die Luft. Seine Stimme triumphierte. »Sie können mich ja später in Papeete des Vogelmordes anklagen, Sie Idiot. Hier aber braucht jeder jeden. Also los! An die Arbeit! Ich gebe Ihnen zehn Minuten, Ihren Vogelfreund zu begraben. Wollen Sie auch ein Kreuz aufs Grab setzen? Verdammt, das ist ja schon pervers! Der Teufel hole Ihre Sentimentalität! Zehn Minuten – dann kommen Sie in den Wald und schlagen weiter die Äste ab!«
    Er ging davon, kraftvoll, gedrungen, leicht in den Hüften schaukelnd wie ein Seemann, das Beil über der Schulter.
    »Ich habe noch nie einen Menschen so gehaßt wie ihn«, sagte Anne und legte die geflochtene Matte zur Seite. »Nicht einmal meinen Mann …« Sie erhob sich und stellte sich neben Bäcker, starrte auf den toten Vogel und legte tröstend den Arm um Bäckers Hüfte. »Wir wollen ihn anständig begraben …«
    Bäcker nickte, kniete neben dem Albatros nieder, streichelte sein Gefieder und weinte.
    Vom Wald her pfiff Shirley. Fordernd, provokatorisch, wie man einem ungehorsamen Hund pfeift.
    »Hierher!« brüllte er hinterher.
    »Man sollte ihn töten –«, sagte Anne leise. »Man sollte ihn wirklich töten! Er erzieht uns geradezu zu Mördern –«
    Sie begruben den Vogel an der Böschung, und sie ließen sich Zeit dazu. Shirley hörten sie an den Stämmen toben, er rief noch ein paarmal, aber sie reagierten nicht darauf. Er kam aber auch nicht wieder zu ihnen, und das war klug von ihm.
    Der Gedanke an das Floß, das sie von Viktoria-Eiland ins Leben zurückbringen sollte, verlieh Paul Shirley Riesenkräfte. Er fällte bis zum Abend noch drei Bäume, und das mit einem fast stumpfen Beil. Shirley schien nicht müde zu werden; sein muskulöser Oberkörper glänzte vor Schweiß, und man sah ihm an, daß er sich seiner gewaltigen Körperkräfte bewußt war. Er trieb Bäcker mit groben Reden zur Arbeit an und nannte ihn mehr als einmal ›einen Pudding auf Beinen‹.
    In der Dämmerung besuchte Bäcker noch einmal

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