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Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Titel: Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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und ihm nicht zu helfen, das Blut abzuwaschen oder ein Pflaster zu holen.
    »Komm mit –«, sagte er. Das Blut rann ihm beim Sprechen in den Mund. »Tara, ich liebe dich …«
    »Geh raus, oder ich schlage dir den dummen Schädel ein!« keuchte sie. »Ich bin eine Hure, und ich werde immer eine Hure sein! Und ich will auch gar nichts anderes sein! Mir macht's Spaß mit den Männern! Immer nur dich … das ist zum Kotzen!«
    Paul Bäcker erhob sich. Er wickelte ein Handtuch um seine Stirn, öffnete seinen Seesack, packte ihn stumm und blieb dann an der Tür stehen. Tara saß auf dem Bett, den geschlitzten Rock hochgeschoben. Sie trug nichts darunter, und das sah gemein und ordinär aus.
    »Tara –«, sagte Paul leise.
    »Geh, du Idiot!«
    »Ich könnte jetzt alles töten«, sagte er dumpf. »Die ganze Welt könnte ich jetzt ausrotten!«
    »Das gibt sich.« Sie lächelte verzerrt. Ihr ging es nicht anders, aber sie mußte es durchstehen. »Vergiß mich, Paul!«
    »Man sollte dich zuerst töten.«
    »Das bringst du nie fertig.«
    »Das stimmt.« Paul nickte. Er wuchtete den Seesack auf seine Schulter, stieß mit dem Fuß die Tür auf und ging hinaus. Tara blieb steif sitzen. Ihr Gesicht zuckte, aber sie hielt sich mit den Händen an der Bettkante fest, um ihm nicht nachzulaufen.
    Sie hörte Pauls Schritte auf der Straße und wußte, daß sie ihn nie wiedersehen würde. Das war gut so, aber es kostete viel Kraft, das auszuhalten.
    Eine halbe Stunde später ließ sie den ersten Matrosen in ihr Bett, aber er mußte statt 20 Francs schon 50 Francs bezahlen.
    Nach Papeete, dachte Tara. So schnell wie möglich nach Papeete. Sonst vergesse ich Paul Bäcker nie … Wo gibt es einen zweiten Mann wie ihn …
    Am frühen Morgen, bei Sonnenaufgang, bestieg Paul sein Katamaran. Er fand es schnell, das gelbe Tuch am Segelmast flatterte im Wind.
    Bäcker hatte an der Wand eines Schuppens übernachtet, lang hingestreckt auf alten Säcken, hatte gut geschlafen, zog nun das Segel auf und glitt lautlos aus der Lagune hinaus aufs offene Meer. Im Vorschiff fand er einen Sack mit Früchten und Trockenfleisch, einen Kanister mit Wasser, Bogen und Pfeile und einen langen Bambusspeer, mit dem er während der Fahrt Fische aus der See stechen konnte. Er würde sie roh essen, wie es die Eingeborenen auch taten.
    Paul segelte eine Stunde vor dem Wind her, erlebte den Morgenglanz der Sonne und den Tanz der Delphine um sein Boot, sichtete einige Dreiecksflossen und legte den Speer über seine Knie. Er hatte keine Angst vor Haien, im Kampf mit ihnen war er aufgewachsen.
    Außerhalb der Sichtweite von Tahuata wartete – wie versprochen – ein großes Kanu auf ihn. Zwei Eingeborene saßen darin, winkten ihm zu, grüßten ehrfürchtig und übernahmen die Führung.
    Paul Bäcker kehrte heim nach Viktoria-Eiland.
    Er wußte nicht, daß er in ein zerstörtes Land kam, sondern träumte vom Paradies seiner Jugend. Und er sagte sich in langen Stunden immer wieder vor, was er seinen Eltern erklären wollte: Ich habe Sehnsucht gehabt. Heimweh! Wer kann dagegen an?
    Sie würden es verstehen.
    Nur ein Problem nahm er mit, und dafür gab es keine Lösung: Würde er Tara jemals vergessen können?
    Wie war es möglich, ohne eine Frau weiterzuleben?

VII
    Er segelte eine Woche lang von Insel zu Insel, über ein glattes, goldglänzendes Meer, das so friedlich war wie nie. Möwenschwärme begleiteten ihn mit schrillem Geschrei, Delphine und fliegende Fische umkreisten sein Katamaran, dreimal stach er einen Hai an, ohne ihn zu töten, aber die Blutspur, die er durchs Meer zog, war sein Todesurteil, denn andere Haie würden ihn bald zerfleischen. Was in der Südsee blutete, war verloren.
    Vor jeder Insel wechselten seine Begleiter. Von den Eingeborenen sah er wenig, in die Lagunen kam er gar nicht hinein. Man reichte ihn vor den Inseln weiter, die Begleitboote warteten draußen auf dem Meer. Nur von weitem sah er die Dörfer, die Häuser mit ihren Palmstrohdächern, die Rauchsäulen der Feuer. Die Insulaner begrüßten ihn freundlich, luden von ihrem Kanu die Lebensmittel um, aber wenn Paul sie etwas fragte, schwiegen sie. Sie waren Freunde mit einer stummen, unterdrückten Feindschaft … ein eigenartiger Zustand.
    Sie fuhren nur am Tag über das Meer; in der Nacht, den Stunden der Geister, lagen sie still nahe vor den Inseln oder mitten auf See. Dann hatte Paul Zeit genug, an Tara zu denken. Er saß traurig in seinem Boot und sehnte sich nach der Nähe ihres warmen,

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