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Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Titel: Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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aller Menschen vernichtet.
    »Wo ist mein Vater?« fragte Paul wieder. Seine Stimme zerbrach fast. Er blickte über die stille Insel und wußte nicht, was er tun sollte. Er konnte das ganze Dorf vernichten, mit allen Männern, Greisen, Frauen und Kindern. Und was dann? Dann war es so, wie es ihm sein Vater erzählt hatte: Ein Heer von Unschuldigen stirbt für einen einzigen Schuldigen. Das ist der Wahnsinn der Menschheit, den sie bisher nicht überwunden hat. Soll er hier weitergehen?
    »Die Götter haben es gewollt«, sagte der alte Mann. Er kniete in seinem Kanu, bereit zu sterben. Es lag soviel demütige Unterwerfung in seiner Haltung, daß Paul den Lauf des MGs wieder hinüber zu den Hütten schwenkte.
    »Die Götter!« brüllte er. »Eure Götter haben uns zwanzig Jahre ertragen, sie haben mit uns gelebt … aber ihr, die Menschen, kennt nur die Vernichtung. Heraus mit der Wahrheit: Wie habt ihr meinen Vater umgebracht?«
    »Er ging zum Gott des Meeres«, sagte der alte Mann.
    In Paul glühte eine Flamme auf. Er umklammerte das MG und drückte die Stirn gegen das Schloß und den eingezogenen Gurt. Mein Gott, dachte er. Mein Gott, halte mich zurück. Laß nicht die Hölle los in mir. Sie haben ihn den Haien vorgeworfen … sie haben Vater hinaus aufs Meer gebracht und dann ins Wasser gestoßen. O mein Gott, wer kann das ertragen? Was heißt jetzt noch: Liebe deinen Nächsten!? Vergib deinen Schuldigern! Liebe deine Feinde!
    Begreifst du, Gott, was das bedeutet: Sie haben ihn den Haien vorgeworfen!? Nenn mir einen grausameren Tod …
    »Und das Schiff?« fragte er heiser. »Wo ist das Schiff?«
    Der alte Mann zeigte hinaus in die Weite des Meeres.
    »Versenkt?« schrie Paul.
    »Ja. Zu den Göttern der Tiefe!«
    »Götter! Götter! Immer nur Götter! Wie sprechen sie denn zu euch? Wie geben sie euch die Befehle? Warst du es, der meinen Vater ins Meer geworfen hat?«
    Der alte Mann schüttelte den Kopf. Er wandte sich um zu seinem Dorf, stieß wieder die hellen Vogelschreie aus und wartete. Paul ging hinter seinem MG in Deckung. Alles in ihm war in Aufruhr. Der Schmerz, der ihn durchzuckte, war nicht mehr einzudämmen, und er schrie auf, als habe man ihn aufs Feuer gelegt, als aus der Hütte neben dem Haupthaus ein anderer Mann trat, bizarr bemalt, mit gefärbten Palmstrohbündeln behangen, eine riesige glotzäugige Maske aus Holz vor dem Gesicht: der Medizinmann.
    »Er?« fragte Paul. Er zitterte vor Erregung. »Natürlich! Nur er! Der Idiot, der mit den Göttern spricht! Die Großen Sechs werden euch vernichten, daß nichts mehr von euch übrigbleibt, nicht einmal Staub!«
    »Gib mir den Dolch –«, sagte der alte Mann. Seine Stimme klang traurig. »Ich bringe ihn dir zurück.«
    Paul zögerte, aber dann warf er den gebogenen Dolch hinüber ins Kanu. Der Häuptling bückte sich, tauchte das Paddel ins Meer, drehte das Boot und stieß es zum Ufer zurück.
    Atemlos verfolgte Paul, wie der alte Mann an Land stieg und auf beiden Händen den Dolch ins Dorf trug. Vor dem regungslos verharrenden Medizinmann blieb er stehen, hob den Dolch an die geschnitzte Maske und schlug mit ihm gegen die Fratze. Der hohle Klang des Schlages war der einzige Laut in dieser vollkommenen Stille.
    Der Medizinmann setzte sich in Bewegung, als sei er selbst nur eine hölzerne Statue mit beweglichen Gliedern. Er stieg in das Kanu der Häuptlinge, der alte Mann stieß wieder vom Ufer ab, und langsam glitt das Boot an Paul vorbei durch die Korallenklippen hinaus aufs offene Meer. Paul warf seinen Motor an und folgte ihnen.
    Sie entfernten sich ungefähr eine Meile von Vahua Oa, dann hörte der alte Mann auf zu paddeln und sah sich nach Paul Bäcker um. Der Medizinmann, unkenntlich unter seiner Riesenmaske und dem Strohkleid, stand regungslos im Kanu.
    »Hier –?« keuchte Paul. Er verstand die stumme Geste. »Hier habt ihr meinen Vater umgebracht?«
    Er blickte ins Meer. Im klaren Wasser sah er tief unter sich die schnellen, grauen Körper hin- und herschnellen. Dann tauchten plötzlich vier Dreiecksflossen auf und schossen um die beiden Boote herum. Paul packte das Maschinengewehr fester. Grauen schüttelte ihn.
    »Vater …«, stammelte er. »O Vater. Ich bin da!« Er fiel in die Knie und umklammerte das MG, starrte ins Meer und sah die kalten, grausamen Augen der Haie auf sich gerichtet. »Vater, ich schwöre dir … ich werde Mutter nie verlassen! Ich will so sein wie du … ich will …«
    Die Stimme versagte ihm. Er drückte die Stirn

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