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Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Titel: Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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den Göttern geopfert, ihre Seele gehörte ihr nicht mehr … daß sie noch atmete, war ohne Bedeutung. Bald würde auch das aufhören …
    Paul Bäcker legte genau an der Stelle an, wo die Häuptlingskanus gelandet waren. Er warf sein Gewehr nach vorn, entsicherte es und ging durch die verlöschenden Räucherpfähle und unter den aufgespannten Blütenketten hindurch auf das riesige Götterbild zu. Das Hühnerblut war eingetrocknet und begann bereits zu verbleichen … nur die grellen Farben der Fratze leuchteten drohend in der Sonne.
    Fünf Schritte vor dem Götzen blieb Bäcker stehen und brachte sein Gewehr in Anschlag. Die Gestalt rührte sich noch immer nicht. Aber es war ihm, als habe sie den Kopf etwas gehoben.
    »Hallo!« sagte Bäcker. Seine Stimme klang fremd, heiser vor Aufregung. Er sprach jetzt in dem hier üblichen Eingeborenendialekt weiter. Zwischen ihm und der Blumengestalt lagen wie eine Barriere die zehn geköpften, ausgebluteten Hühner. »Ich bin gekommen, dir dein Leben wiederzugeben.«
    Die Gestalt verharrte regungslos.
    »Götter, die lebende Menschen als Opfer annehmen, sind schlechte Götter«, sagte Paul laut. »Steh auf und komm mit. Ich werde dir beweisen, daß die Götter nicht so grausam sind wie die Menschen …«
    Die Gestalt rührte sich nicht.
    Paul Bäcker zögerte noch einen Augenblick. Dann machte er einen weiten Schritt über die Hühnerleiber, trat damit in den Bannkreis der Götzen, aber kein Blitzstrahl zuckte aus dem Himmel und erschlug ihn, keine Geisterhand erwürgte ihn, keine Erdspalte öffnete sich und verschlang ihn.
    Die Gestalt streckte sich. Sie sprang plötzlich auf, als Bäcker vor ihr stand, zwei nackte, schmale, braune Arme zuckten aus dem Blütenpanzer, die Handflächen schnellten nach vorn, als wollten sie ihn wegdrücken … aber da hatte er schon zugegriffen. Mit einem Ruck riß er die Blütenketten entzwei und prallte im gleichen Augenblick zurück.
    Langes, schwarzes, glänzendes Haar quoll hervor, ein schmales, junges, ergreifend schönes Gesicht, mit großen dunklen Mandelaugen und einem weichen vollen Mund, der wie zu einem Schrei geöffnet war, tauchte auf. Die Blütenketten sanken langsam zu Boden und gaben einen nackten kindlichen Körper frei: schmale Schultern, feste, runde Brüste, einen flachen Leib und lange, schlanke Beine.
    Mit hängenden Armen stand sie da, das Blumenkleid noch um die Knie. Sie war starr wie der riesige Götze hinter ihr, aber ihre schwarzen Augen sprühten Feuer.
    Paul Bäcker warf das Gewehr in den Sand. Er war wie betäubt.

XIII
    Sie standen sich stumm gegenüber und starrten sich an. Und je länger sie sich ansahen, um so mehr wuchsen sie unbewußt zusammen, wurden sie unlösbar aneinandergekettet und merkten es nicht.
    »Dich wollten sie opfern …«, sagte Paul endlich. Seine Stimme schwankte vor Ergriffenheit. »Du solltest sterben! Diese Teufel! Diese Mörder! Und du läßt dich hier aussetzen und wartest geduldig auf deinen Tod? Welch ein Wahnsinn! Wie heißt du?«
    Das Mädchen schwieg. Es senkte nur den Kopf und hockte sich dann wieder an das Bein des Götzen.
    »Nein!« sagte Paul laut. »Das ist vorbei! Komm her!« Er beugte sich vor, packte ihre Arme und riß sie hoch. Wie eine Katze begann sie zu fauchen, schnellte vor, sprang ihn an, zerkratzte ihm Gesicht und Brust, und fiel, als er sie losließ, wieder zu Füßen des Götzen. Sie hockte sich nieder und erstarrte in seltsame Versunkenheit.
    »Ich bin stärker als du«, sagte Paul keuchend. Die Kratzwunden brannten, Blut sickerte aus ihnen hervor. Sie hat Krallen wie eine Katze, dachte er. Aber auch wenn sie mich völlig zerkratzt, wenn sie mir die Haut in Fetzen herunterreißt, ich hole sie hier weg! Sie haben das schönste Mädchen der Inseln dem Gott vorgeworfen … aber das hier ist meine Insel, und ich werde es nicht zulassen, daß der schönste Mensch, den ich je gesehen habe, diesem finsteren Aberglauben geopfert wird.
    Er packte sie wieder, dieses Mal an den Schultern, und wieder fauchte sie, schlug nach ihm, krümmte die Finger wie Raubtierkrallen und sprang ihn an.
    Er fing sie mit ausgebreiteten Armen auf und drückte sie an sich. Die Berührung ihres glatten Körpers mit seiner Haut, der Druck ihrer Brüste gegen seine Brust, die Wärme ihrer Schenkel an seinen Hüften – es war ein Gefühl nie gekannter Seligkeit. Es durchströmte ihn so mächtig, daß er kaum spürte, wie sie seinen Rücken mit ihren Nageln zerkratzte und das rohe Fleisch unter

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