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Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Titel: Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wiederaufzubauen. Wenn dann die ersten Toten gebracht wurden, würden die Eingeborenen vor einem Wunder stehen. Ihr Totem war von selbst auf die alte Insel zurückgewandert … ein so unbegreifliches Wunder, daß alle Inseln im weiten Umkreis vor Ehrfurcht erstarren würden.
    Ein Gott wandert zurück … Viktoria-Eiland würde zum größten Heiligtum der Südsee werden.
    Die Hühner waren geopfert, der Götze mit Blut überspritzt, der Rauch gerade in den Himmel gestiegen und von ihm aufgesaugt worden … es blieb jetzt nur noch der Abschied von der neuen Toteninsel.
    Auf Anne-Eiland fielen die Häuptlinge vor dem Götzen in den Sand, die Medizinmänner kreischten, die Schar der Krieger kroch rückwärts zu den Kriegskanus zurück und sprang dann hinein, als würde sie verfolgt, Zurück blieb eine einsame Gestalt am Strand. Sie war voll mit Blütenketten behangen, daß man ihre Umrisse kaum wahrnehmen konnte. Ein Medizinmann packte sie, schob sie vor sich her, ließ sie vor dem Götzen stehen und rannte dann zurück zu dem letzten großen Boot. Mit einem hellen Schrei sprang er hinein und trommelte mit den Fäusten gegen seine kunstvoll geschnitzte, schrecklich und grauenerregend aussehende Maske.
    Dann legten die Boote ab … die blutroten Flechtsegel wurden an den Masten der Häuptlingsboote aufgezogen, ein leichter Wind blähte sie, und majestätisch und still, wie sie gekommen waren, in breiter Reihe, ein einziger, faszinierender Paddelschlag, glitten sie an Viktoria-Eiland vorbei und verschwanden in dem heißen, flirrenden Dunst zwischen Himmel und Meer.
    Zurück blieb die einsame, in Blüten eingeflochtene Gestalt. Sie ging langsam zu dem Götzen, hockte sich zu seinen Säulenfüßen, schien zusammenzuschrumpfen und wurde ein Teil der bemalten Holztafeln, Räucherpfähle und Blumenketten.
    Paul Bäcker lag hinter seinem Baumstumpf und wartete, bis die Boote weit genug entfernt waren und selbst das schärfste Papua-Auge ihn nicht mehr sehen konnte, wenn er jetzt aufstand.
    Die Sonne brannte unbarmherzig auf seinen ungeschützten Körper … er zog ein paar herumliegende Palmzweige über sich und starrte hinüber zu der einsamen Gestalt.
    Sie rührte sich nicht. Zusammengekauert hockte sie im Schatten des riesigen Götzen.
    Man hat ein lebendes Opfer zurückgelassen, dachte Paul Bäcker, und plötzlich wurde ihm kalt unter der Haut. Sie haben diesen Menschen dort drüben dem Gott geopfert, und er sitzt nun geduldig da und wartet auf seinen Tod. Es wird drei, vier oder noch mehr Tage dauern, bis er verdurstet ist. Aber er wird sich nicht rühren, er wird von Tag zu Tag mehr erstarren und die Qualen des Verdurstens stumm ertragen, und wie die Blumen, die ihn über und über bedecken, wird er vertrocknen und dahinsterben.
    Paul Bäcker kroch nach einer Zeit, die ihm ausreichend schien, für die gegen den Horizont wie eine dünne braune Linie weggleitenden Boote unsichtbar zu sein, weiter nach vorn an den Rand seiner zerrissenen Insel und stand dann auf. Groß, breit, gegen den blauen Himmel deutlich sichtbar, war er jetzt das einzige Aufrechtstehende auf Viktoria-Eiland. Die abgedrehten Baumstämme, die zerfetzten Büsche waren niedriger als er. Die Natur hatte sich zwar selbst vernichtet, aber den Menschen hatte sie bloß umwerfen können.
    Die einsame Blütengestalt jenseits des Meeresarmes rührte sich nicht. Paul Bäcker wußte nicht, ob sie ihn überhaupt sah, und einen Moment hatte er den schrecklichen Verdacht, daß man ihr die Augen ausgestochen habe, um den Gott in solcher Nähe nicht ansehen zu können, was nur der Medizinmann darf.
    Er kletterte den schroffen Hang hinunter bis zu dem Versteck seines Holzfloßes, einer vom Meer ausgewaschenen, von überhängenden Felsen geschützten Grotte, beobachtete von dort die reglose Gestalt und überlegte.
    Rufe ich sie an, überlegte er, oder fahre ich einfach hinüber und sehe sie mir an?
    Er entschloß sich, über den Meeresarm zu paddeln, warf das Gewehr an dem Riemen um seine Schulter, schob das Floß aus der Grotte und sprang auf die zusammengebundenen Stämme.
    Spätestens jetzt muß er mich sehen, dachte Bäcker, als er vom Ufer abstieß. Wenn dieser Mensch noch Augen hat, wird er gleich ein Zeichen geben.
    Aber die Gestalt unter den Blüten blieb unbeweglich sitzen. Sie hatte sich an das linke dicke Bein des Götzen gelehnt, die Knie angezogen und den Kopf auf die Hände gestützt. Nichts, was um sie herum vorging, schien sie noch zu interessieren. Sie war

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