Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn
ihren zupackenden Händen hervorquoll.
Er hielt sie fest, preßte sie mit dem linken Arm an sich, genoß ihren bebenden nackten Körper und streifte mit der rechten Hand das lange schwarze Haar aus ihrem wilden Gesicht. Zwei dunkle Augen funkelten ihn an, Augen, in denen die Weite des Meeres und das Staunen vor etwas Unbegreiflichem lagen. Ihr weicher roter Mund war dem seinen ganz nah. Er beugte sich über sie, zog den Kopf an den Haaren zu sich und küßte sie.
Sie biß in seine Lippen, denn es war sicherlich der erste Kuß, den sie empfing, etwas völlig Fremdes und Erschreckendes, denn ein Papua kennt keinen Kuß. Er ertrug ihren Biß, drückte seine Lippen noch fester auf die ihren und spürte, wie sie plötzlich erschlaffte, ihr Mund sich öffnete und den Kuß hinnahm wie ein unbekanntes Wunder.
Das ewig Rätselhafte im Menschen, das man Liebe nennt, hatte auch sie besiegt. Sie schien es nicht zu begreifen, hatte das Gefühl, wie gelähmt zu sein, und ihre Hand, die noch wie eine Kralle gebogen war, öffnete sich und legte sich auf seinen Rücken.
»Wie schön du bist …«, sagte Paul leise. »Wie schön … Wie kann es so etwas Schönes geben? Ich liebe dich … weißt du, was das ist? Ich liebe dich … Auf dich habe ich gewartet, von dir habe ich immer geträumt … und der Gott, der dich und mich vernichten sollte, hat dich mir geschenkt! Ich werde ihn anbeten vor Dankbarkeit, wenn du es willst … ich liebe dich … Verstehst du das?«
Er küßte sie wieder, strich über ihre Brüste und glaubte, neu geboren zu werden.
Sie hielt still, machte sich steif, und in ihren weiten Augen lagen das Rätsel und die Angst vor dem Unbekannten, Herrlichen im eigenen Körper.
Als Paul sie losließ, taumelte sie gegen die Götzenfigur, warf sich dann herum und drückte ihr Gesicht gegen den blutverschmierten Leib der Statue.
»Ich heiße Paul –«, sagte Bäcker. Der Anblick ihres schlanken, blanken Körpers versetzte ihn in eine betäubende Seligkeit. »Wie heißt du?«
»Rainu –«, sagte sie. Es war das erste Wort, das sie sprach. Sie hatte eine helle, singende Stimme.
»Rainu«, wiederholte er. »Das ist wie der Wind, der die Palmenblätter zur Sonne treibt. Rainu …«
Er stand hinter ihr, legte die Hände auf ihre Schulter, streichelte ihren Nacken und ihr langes schwarzglänzendes Haar. Sie begann unter seinen Händen zu zittern und preßte sich – wie Schutz suchend – gegen den Götzen.
»Hast du Angst vor mir?« fragte er.
»Nein.«
»Dreh dich um, Rainu …«
»Nein …«
»Du gehörst nicht mehr dem Gott, du gehörst mir.«
»Ich gehöre dem Tod«, sagte sie und preßte sich noch enger an den Götzen. Er packte sie wieder, riß sie von der Holzfigur weg und legte beide Arme um sie.
»Du lebst«, sagte er. »Und es ist herrlich zu leben. Du und ich, wir werden die glücklichsten Menschen auf der Welt sein. Wir werden aus dieser Insel ein Paradies machen. Rainu, ich liebe dich.«
Er stockte. Sie fiel aus seinen Armen in den Sand und kroch von ihm weg wie ein Krebs unter einen Stein.
Er ahnte, was sie so entsetzte, und stieg über sie hinweg, blieb dicht vor dem glotzäugigen Götzen stehen und starrte den hölzernen Riesen an.
»Er ist nicht stärker als wir!« schrie er. »Ich werde es dir beweisen. Sie her, Rainu …«
Er reckte sich und schlug mit der Faust gegen den Leib des Götzen, immer und immer wieder. Das Holz des hohlen Körpers dröhnte wie eine Pauke, speicherte den Klang und gab ihn erst Sekunden später wieder frei.
Rainu hielt sich die Ohren zu und kroch in sich zusammen. Nach ihrem Glauben brüllte der Gott jetzt auf, schrie nach Rache, und sie wartete demütig auf die Vernichtung.
Aber nichts geschah. Willenlos ließ sich Rainu von Bäcker aufheben, schwankte dann auf zitternden Beinen vor dem Götzen und begriff nicht, daß die Welt noch bestand.
»Siehst du, daß ich stärker bin?« schrie Bäcker. »Er ist nichts als ein Stück Holz. Sie haben dich alle belogen, sie haben dich töten wollen für ihren Aberglauben. Aber das begreifst du noch nicht, wie könntest du das auch verstehen? Rainu, ich weiß selbst nicht, was aus mir geworden ist … aber die Welt sieht plötzlich anders aus.«
Es folgte dann eine lange Zeit des Schweigens. Sie saßen stumm am Strand. Paul hatte den Arm um Rainus Schulter gelegt, sie hatte seine Kratzwunden mit Blüten bedeckt, sie kühlten köstlich und löschten das Brennen aus … und so saßen sie stumm nebeneinander, ein jeder
Weitere Kostenlose Bücher