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Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn

Titel: Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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dann, von abergläubischer Furcht gejagt, mit gesenktem Kopf vor der schrecklichen, alles auffressenden Gottheit zurück zu den Booten. Nur der Medizinmann blieb zögernd stehen, raffte Rainus verwelktes Blütenkleid vom Boden, legte es über seine Arme und trug es feierlich zum Meer. Dort stieg er in sein Boot und blieb hochaufgerichtet stehen, als es vom Ufer abstieß. Selbst er war jetzt – entgegen seiner sehr kritischen Vernunft – davon überzeugt, daß hier ein Wunder geschehen sein mußte.
    Erst als die Boote außer Sichtweite und am Horizont verschwunden waren, erhoben sich Rainu und Paul. Er legte den Arm um ihre schmalen Schultern und zog sie an sich. Sie bebte am ganzen Körper. Ihre dunklen Augen blickten durch ihn hindurch, in eine Ferne, die ihm unerreichbar war. Er schüttelte Rainu in der plötzlich ausbrechenden Angst, daß ihr Götterglaube doch noch stärker sein könnte als ihre Liebe, daß er sie verlieren könnte, obgleich er sie in seinen Armen hielt.
    »Rainu!« sagte er laut. »Himmel noch mal, Rainu … wach auf! Du und ich, das ist eine neue Welt für sich. Begreifst du das? Wir sind stärker als alles andere. Stärker! An unserer Liebe wird alles zerschellen: Stürme, Erdbeben, Wolkenbrüche, glühende Sommer und das verdammte Meer! Rainu, wach endlich auf!«
    Er schüttelte sie wieder, sie hing in seinen Händen, ihr Kopf flog hin und her, die langen schwarzen Haare peitschten sein Gesicht, und dann spürte er, wie sie in sich zusammensank. Er fing sie auf und trug sie in den Keller des zerstörten Hauses.
    »Wir werden alle sterben«, sagte sie später nach langem Schweigen. Sie saßen zusammen am Abhang und schnitzten aus angeschwemmten Bambusstangen Speere mit langen Spitzen und Widerhaken, um größere Fische aus dem Meer stechen zu können. »Ich weiß es. Alles«, sie machte eine weite Armbewegung, »wird uns vernichten!«
    »Weil wir das wissen, werden wir uns darauf einstellen!« Paul hob seinen halbfertigen Speer hoch in die heiße Luft. »Ich habe keine Angst. Wenn du bei mir bist, Rainu, kann ich Felsen mit den Fäusten zertrümmern.« Er nahm ihren schmalen Kopf zwischen seine Hände und küßte ihre Augen, diesen offenen Eingang zu ihrer ängstlichen traurigen Seele. »Hast du Angst, Rainu?«
    »Ja –«
    »Mein Gott, wie soll ich dir nur beweisen, daß sie umsonst ist?« Er sprang auf. »Soll ich den neuen Gott zerschlagen wie den alten?«
    »Dann geht die Welt unter, Herr.«
    »Nenn mich nicht Herr. Ich bin dein Mann, Rainu.«
    Sie senkte den Kopf und schnitzte eine neue Speerspitze. »Ja, Herr«, sagte sie leise.
    Am Abend war die Gefahr, daß noch einmal Boote von Vahua Oa herüberkamen, vorbei. Rainu ging hinunter zum Meer und probierte den Speer aus. Bis zu den Hüften stand sie im Wasser, völlig nackt, nur von ihren hüftlangen, schwarzen glänzenden Haaren umhüllt, und wartete. Unbeweglich, wie eine herrliche Versteinerung, den Speer stoßbereit in beiden Händen, beobachtete sie die Fischschwärme, die zunächst in großen Kreisen um sie herumschwammen. Seitdem sie mit den Menschen zusammen lebten, waren sie vorsichtiger geworden. Als Werner Bäcker vor zwanzig Jahren hier angeschwemmt wurde, konnte er noch mitten unter ihnen stehen; sie stießen an seine Beine, er brauchte nur ins Wasser zu greifen und hatte seine Nahrung. Das änderte sich schnell. Die Fische hatten gelernt, daß die Gegenwart eines Menschen Tod bedeutete.
    Paul sah Rainu von der Böschung aus zu. Er saß am Hang, und sein Herz klopfte wie verrückt. Die Schönheit ihres nackten, braunen, von der Abendsonne vergoldeten Körpers raubte ihm den Atem. Er träumte mit offenen Augen, wie es sein würde, wenn sie ihm ganz gehörte. Dieses Bild war so übermächtig, daß er sich nach hinten fallen ließ, die Fäuste ballte und auf den Boden schlug.
    Ich will sie nicht überrumpeln, dachte er. Ich will sie nicht zwingen, mir ganz zu gehören. Ich will nicht ihr Herr sein, dem sie gehorcht. Sie soll von selbst zu mir kommen. Wenn ich sie an mich reiße, wird sie nachgeben, aber es wird eine Unterwerfung sein, einen Sklavenhandlung, keine wirkliche, alles überdauernde Liebe.
    Er richtete sich wieder auf. Rainu stand noch immer im Meer, die Fischschwärme quirlten jetzt um sie herum, ohne Furcht vor diesem starren, anscheinend leblosen Gebilde im Wasser. Schöne, große Fische waren es … Paul konnte sie von der Höhe aus in der glasklaren Lagune deutlich erkennen. Das schimmernde Gold der Abendsonne

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