Wer stirbt schon gern in Düsseldorf?
Düsseldorfer Büro des »Kölner Stadtanzeiger«, brachte die Frage, die alle bewegte, auf den Punkt:
»Und welchen Parteien haben sich die Rheinländer nun angeschlossen?«
Ophoven tat so, als hätte ihn diese alles entscheidende Frage in den letzten Stunden nur am Rande interessiert:
»Nun ja, ich habe da irgendwo eine Notiz, die mir mein Büro kurz vor dieser Pressekonferenz reingereicht hat, die ich aber noch nicht lesen konnte. Moment, hier ist sie: Also, wir gehen davon aus, dass der Krefelder Abgeordnete Johann Leisten nach seiner Aachen-Tat zunächst seine Immunität verlieren, dann aus dem Landtag ausgeschlossen wird und ein anderer Abgeordneter, der aber bisher nicht erreicht werden konnte, nachrückt. Für Ludwig Förster ist ja bereits ein Kölner Kollege, dessen Name mir im Augenblick entfallen ist, nachgerückt. Somit bleiben 47 F.R.-Abgeordnete aktuell im Landtag. Meines Wissens werden sich von diesen 26 Abgeordnete der CDU und FDP anschließen und 21 Abgeordnete der SPD und den Grünen, Bündnis 90, em ja. Wie sich der Nachrücker für den Herrn Leisten entscheiden wird, kann ich Ihnen natürlich noch nicht sagen.«
Die Journalisten rechneten schnell. Rolf Dressler, Chefredakteur des »Westfalen-Blatt«, der eigentlich wegen eines Interviews mit dem Ministerpräsidenten aus Bielefeld nach Düsseldorf gekommen war, schlussfolgerte:
»Somit verfügen SPD und Grüne über 116 Sitze und CDU und FDP über 114 Sitze. Damit steht der Wiederwahl von Nils Steenken zum Ministerpräsidenten wohl nichts mehr im Wege.«
Ophoven zeigte sich verwundert:
»Damit überraschen Sie mich jetzt. Das habe ich nämlich noch gar nicht nachgerechnet.«
Im Kugelschreiber-Hagel verließ Dr. Volker Ophoven fluchtartig das Foyer des Landtags.
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Beim Verlassen des Landtags fanden die Journalisten eine bereits zwei Tage alte Pressemitteilung der zwischenzeitlich aufgelösten F.R.-Fraktion in ihrem Fach.
Rettet den Rheinischen Sauerbraten
Der vorliegende Gesetzentwurf fordert:
Der Landtag NRW möge beschließen:
Das Land NRW fordert das Deutsche Patent- und Markenamt auf, den Begriff »Rheinischer Sauerbraten« umgehend unter Schutz zu stellen. Wir fordern ein Reinheitsgebot für diese Rheinische Delikatesse.
Begründung: Ähnlich wie der »Dresdner Stollen« oder die »Nürnberger Rostbratwurst« soll auch der »Rheinische Sauerbraten« geschützt werden. »Rettet den Rheinischen Sauerbraten« heißt daher eine Initiative der »Schutzgemeinschaft Rheinischer Sauerbraten e.V. in Gründung«, die von der F.R.-Fraktion des Landtags von NRW ins Leben gerufen wurde.
Hintergrund: Der »Deutsche Kopfschlächter- und Fleischerverband« vertritt seit langem die Auffassung, dass Sauerbraten auch in anderen Teilen Deutschlands hergestellt werden darf. Wohingegen die Schutzgemeinschaft erreichen will, dass die Bezeichnung »Rheinisch« auf Hersteller aus dem Rheinland eingegrenzt werden muss. Zudem soll ein Reinheitsgebot gewährleisten, dass nur Pferdefleisch zur Herstellung herangezogen wird und kein Schweine- oder Rindfleisch.
Mit dem Kampf um den Sauerbraten endete das vorerst letzte Kapitel der Rheinischen Separatistenbewegung nicht etwa im Kochtopf, sondern im Papierkorb.
Die große Rheinland-Idee des Ludwig Förster aus Monschau war damit endgültig gestorben.
* * *
Gottfried Zimmermann und Charly Nusselein trafen sich auf dem Parkplatz der Gaststätte »Küpper« in Widdau. Kurz überlegten sie, ob noch Zeit für Kaffee und ein legendäres Widdauer Rührei wäre, verwarfen diesen Gedanken aber, da an diesem Tag auch noch der Kampf gegen die Vereinigten Staaten von Amerika aufgenommen werden sollte. Nachdem sie der Wirtin kurz Bescheid gesagt und zwei winzige Els auf ihr gemeinsames Magenflattern getrunken hatten, starteten die beiden im dunkelblauen Ford des Kripomanns nach Rohren. Zimmermann setzte den Lokaljournalisten in der Berghütte am Rohrener Skilift ab, wo dieser dann doch noch zu seinem Rührei kam. Am Nebentisch starrte derweil ein Mann für diese Tageszeit viel zu früh dumpf in ein Bier.
Zimmermann fuhr zur Retzstraße, zum Haus der Lauschers. Das alte Fachwerkhaus konnte nicht verschweigen, welcher Geist in ihm wehte. An der Tür befand sich ein riesiger, schon fast historischer »Atomkraft Nein Danke«-Aufkleber, der Rasen vor dem Haus wirkte, als sei er aus politischen Gründen schon länger nicht mehr gemäht worden und auch der hellblaue Anstrich des Fachwerks sendete ein deutliches
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