Wer viel fragt
Fakten auf eine neue Seite. Das gab
ihnen etwas Offizielles.
»Und wie alt sind Sie?«
Sie wurde leicht ungehalten.
»Ist das immer die zweite Frage, die Sie Ihren Klienten stellen?«
Entweder war sie empfindlich, was ihr Alter betraf, oder sie war in
irgendeiner Emanzipationsgruppe aktiv, die sich die Altersfrage auf ihre
Fahnen geschrieben hatte. »Ich habe Geld«, fuhr sie fort.
»Ich bin in der Lage, Sie zu bezahlen, falls es das ist, worauf Sie
hinauswollen.«
»Ich muß wissen,
wie alt Sie sind«, sagte ich. »Ich bin sechzehn.«
Ich hätte schwören
können, daß sie älter aussah, aber wahrscheinlich habe ich
einfach keinen Blick für so was. »Wie spät ist es?«
fragte sie.
Ich deutete auf meine
Kuckucksuhr, die hinter ihr neben der Bürotür hing. Eine echte
Schweizer Uhr, Überbleibsel aus den Tagen, da ich noch jung und unbekümmert
war. Wir lasen sie gemeinsam ab. Sechzehn Uhr zweiundvierzig.
»Ich muß gleich
wieder los. Werden Sie es tun? Übernehmen Sie den Auftrag?«
»Sehen Sie mal, Miss
Eloise Crystal vom Jefferson Boulevard, was glauben Sie, wie so etwas
funktioniert? Glauben Sie, es ist damit getan, daß Sie hier
hereinspaziert kommen und sagen: ›Machen Sie meinen biologischen
Papa ausfindig, und dann in einer Woche zurückkommen, um ihn sich
abzuholen?
Wie zum Teufel soll ich
aufgrund dessen, was Sie mir gesagt haben, feststellen können, ob ich
Ihren sogenannten biologischen Vater ausfindig machen kann oder nicht?«
»Sie brauchen nicht zu
fluchen«, sagte sie streng. Sie war gekränkt. Auch gut. Ich bin
nicht besonders versessen auf dreiste Menschen, und bei dreisten kleinen Mädchen
ist meine Toleranzschwelle besonders niedrig.
»Was genau soll ich für
Sie tun, und können Sie mir einen guten Grund nennen, warum ich es
tun sollte?« Allmählich gelang es mir, mich verständlich
zu machen. Sie fing an zu weinen.
Sie schluchzte drei Minuten
lang unkontrolliert vor sich hin, schniefte zwei Minuten und benötigte
dann noch einmal anderthalb, bis sie wieder ruhig atmete. Ich hatte
derweil Muße, abwechselnd sie und die Uhr zu betrachten. Und in mein
Notizbuch zu schreiben: »Klientin weinte; vielleicht völlig
übergeschnappt.« Um mich dann ein bißchen mies deswegen
zu fühlen. War wohl nicht ganz unschuldig daran. Wenn ich von Anfang
an berücksichtigt hätte, daß sie noch ein Kind war, wäre
ich vielleicht etwas flexibler gewesen. Kinder sind nicht besonders gut im
Umgang mit Menschen. Und wo wir schon mal beim Thema sind - die meisten
Menschen sind auch nicht besonders gut im Umgang mit Kindern. Warum hörst
du sie dir also nicht an, Albert? sagte ich zu mir selbst. Sie glaubt, daß
du ihr bei irgend etwas helfen kannst. Vielleicht kannst du's ja.
Fast wäre ich ins
Wohnzimmer gegangen, um ihr ein Stück Haushaltskrepp zu holen, damit
sie sich die Augen trockentupfen konnte. Aber ich tat es nicht, denn ich
hatte - eine Instinktreaktion - Angst, daß sie vielleicht nicht
bleiben würde, wenn ich erst mal aus dem Büro ging.
Wie sich dann herausstellte,
hatte sie selbst ein Taschentuch.
Sie zog es aus einer kleinen
Handtasche hervor, die ich vorher nicht bemerkt hatte.
Als sie weitgehend
trockengelegt war, sagte ich: »Ich würde mir gern anhören,
was Sie mir darüber erzählen können.« Mehr konnte ich
ihr nicht anbieten.
Sie atmete nur tief durch und
sah mich ungläubig an. Dann setzte sie sorgfältig ihre Brille
wieder auf. Ich schätze, sie trug sie gerne. Offensichtlich kann man
nicht weinen, ohne vorher die Brille abzunehmen.
Ich versuchte, freundlich und
väterlich zu sein (schließlich bin ich selbst Vater), und
meinte aufs Geratewohl: »Haben Ihre Eltern Ihnen vor kurzem etwas
Wichtiges mitgeteilt?«
Eine unvorsichtige Bemerkung,
die eine sofortige Aufwallung von Zorn nach sich zog. »Sie haben mir
nie irgend etwas erzählt! Sie sagen, er sei mein Vater, ich meine,
sie haben nie etwas anderes gesagt. Aber ich weiß, daß er es
nicht ist. Ich weiß es! Ich habe einen Beweis.«
Das Wort Beweis erregt stets
meine Aufmerksamkeit. Es ist schön, Dinge beweisen zu können,
das mag ich. Das Problem ist nur, daß so viele Dinge, die die Leute
beweisen, sich dann als etwas ganz anderes erweisen.
»Was für einen
Beweis?«
»Die Blutgruppen«,
sagte sie. »Er hat Blutgruppe B, meine Mutter hat 0, und ich habe A.
Das bedeutet, daß er nicht
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