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Wer war Jesus

Wer war Jesus

Titel: Wer war Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Luedemann
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denn unter dem Himmel ist auch kein anderer bei den Menschen gegebener Name, in dem wir gerettet werden sollen«.
     Ebenso der Jesus zugeschriebene Spruch: »Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch
     mich«. Kirchliche Lehre von Christus schloss den jüdischen Glauben aus und verteufelte seine Träger, falls sie sich der Kirche
     als dem neuen Israel nicht anschlossen.
    Demnach ist Antijudaismus Kehrseite des »Christus allein«, Judenfeindschaft die linke Hand der Christologie. Christologie
     im |51| biblischen Sinn kann daher nur noch eine Option für fundamentalistische Christen sein. Und die Pius-Bruderschaft kommt an
     diesem Punkt dem Neuen Testament beängstigend nahe.
    Indes steht die ganze frühchristliche Lehre von Christus auf tönernen Füßen. Sie wurzelt im Glauben an die Auferweckung Jesu.
     Diese hat aber nie stattgefunden; als Tatsachen sind nur Visionen, Erfahrungen der Jünger und Jüngerinnen, zu bezeichnen.
     Daraus folgt, dass dogmatisches Christentum keine Zukunft mehr hat.
    Die Ideale der Menschenwürde, Religionsfreiheit und Toleranz haben zudem keine Grundlage in der Bibel; vielmehr wurden sie
     gegen kirchlichen Protest erst von der Aufklärung durchgesetzt. Besser als jede »christliche« Ethik ermöglichen diese säkularen
     Werte einen konstruktiven Dialog zwischen den Angehörigen verschiedener Kulturen und sind in der Lage, Frieden zwischen den
     Menschen unterschiedlichster Ideologien und Religionen anzubahnen.

|52| PAULUS
    12. Das Fundament der Kirche war nicht nur männlich 1
    Nach dem kirchlichen Standpunkt des zweiten Jahrhunderts, der sich auf die zwischen 70 und 100 n. Chr. geschriebenen Evangelien
     des Neuen Testaments beruft, gründete Jesus Christus seine Gemeinde auf dem Fundament der Apostel.
    Diese habe er zu Beginn seines Wirkens in Galiläa berufen. Als Zeugen der »Auferstehung« hätten die Apostel später bischöfliche
     Nachfolger bestellt; diese rückten an ihre Stelle und setzten Christi Wirken fort.
    Weil Jesus Christus für das Kollegium der Apostel nur Männer bestimmt haben soll, waren Frauen seit Beginn der Kirche vom
     Bischofs- aber auch vom Priesteramt ausgeschlossen, und dies gilt in der römisch-katholischen und griechisch-orthodoxen Kirche
     bis heute. Protestanten in Deutschland folgen diesem Vorbild nicht mehr; seit 1991 ordinieren alle evangelischen Landeskirchen
     Frauen und übertragen ihnen zunehmend auch das Bischofsamt. Eine plausible Begründung für diesen Schritt aus der Bibel fehlt
     aber bisher.
    Angesichts eines Patriarchalismus, der zahlreiche Texte des Neuen Testaments prägt, verwundert dies nicht. So treten Frauen
     in den Evangelien des Neuen Testaments nicht als Jüngerinnen auf, sondern verrichten die ihnen traditionell zugewiesenen Aufgaben
     wie den Tischdienst.
    Auch enthalten die Apostellisten der Evangelien keine Frauennamen. Ein weiteres aufschlussreiches Beispiel sind die Pastoralbriefe |53| (Erster und Zweiter Timotheusbrief; Titusbrief) aus der Feder eines Paulusschülers Anfang des zweiten Jahrhunderts. Er weist
     die Frauen an, in der Gemeindeversammlung oder im Gottesdienst zu schweigen, und befiehlt ihnen, sich ihren Männern unterzuordnen.
     Die Frauen sollten Kinder gebären und würden im künftigen Gericht gerettet werden, wenn diese »bei Glaube, Liebe und Heiligkeit
     mit Besonnenheit bleiben«.
    Die Briefe des historischen Paulus, die aus der Zeit zwischen 40 (Erster Thessalonicherbrief) und 55 n. Chr. (Römerbrief)
     stammen, bieten ein anderes Bild. Damals waren Frauen Gemeindeleiterinnen – so Phöbe in Kenchreä, die von Paulus der Gemeinde
     in Rom empfohlen wurde – und wirkten wie Priska, die mit ihrem Mann Aquila ein Zeltmachergeschäft betrieb, aktiv am Missionswerk
     des Paulus mit. Außerdem hören wir von Prophetinnen in Korinth; im Gottesdienst ermahnten und trösteten sie andere Christen
     »zur Erbauung«. Die Paulusbriefe enthalten obendrein einen geradezu sensationellen Beleg dafür, dass auch eine Frau zu den
     Aposteln gerechnet wurde.
    Am Ende des Römerbriefes richtet Paulus in Kapitel 16, Vers 7 Grüße aus an »Andronikus und Junia(s), meine Landsleute und
     meine Mitgefangenen, die herausragen unter den Aposteln. Sie waren (schon) vor mir in Christus.«
    Bis vor kurzem galten die beiden zu grüßenden Personen, die nach Paulus unter den Aposteln eine hervorragende Stellung einnahmen,
     als Männer. Man versah den Akkusativ Iounian, der in den

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