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Wer war Jesus

Wer war Jesus

Titel: Wer war Jesus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Luedemann
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Ratzinger, der zwischen Glauben und Vernunft keine
     Gegensätze sieht, versteht alles wörtlich, was das Neue Testament über Maria und die Geburt Jesu aus einer Jungfrau erzählt.
    Die historisch-kritische Analyse der Texte, die die Geburt Jesu betreffen, wird demgegenüber auf Folgendes verweisen:
    Erstens.
Die ältesten Dokumente des Neuen Testaments, die Briefe des Apostels Paulus, und das älteste Evangelium (Markus) wissen nichts
     von einer Jungfrauengeburt.
    Zweitens.
Die Weihnachtsgeschichten enthalten überwiegend fiktive Elemente, die mit dem wirklichen Hergang nichts zu tun haben. So gab
     es weder eine reichsweite Volkszählung unter Kaiser Augustus noch einen Kindermord in Bethlehem. Die Engel entstammen primitiver
     Mythologie, und die Hirten auf dem Felde ebenso wie die Magier aus dem Morgenland sind Idealpersonen. Die Erzählung über den
     Stern von Bethlehem ist eine Fiktion. Überdies wurde Jesus nicht in Bethlehem, sondern in Nazareth geboren.
    Drittens.
Jesus hatte einen menschlichen Vater. Die Jungfrauengeburt ist demgegenüber eine Deutung: Sie betont die Göttlichkeit der
     Person Jesu, indem sie ihn auf dieselbe Stufe wie andere Gottessöhne der Antike stellt, die angeblich ebenfalls von jungfräulichen
     Müttern geboren wurden. Der Evangelist Matthäus findet |80| einen Beleg dafür, dass Jesus von einer Jungfrau geboren worden sei, in der griechischen Übersetzung des Buches Jesaja, wo
     es in Kapitel 7, Vers 14 heißt: »Siehe, die Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären.« Doch hatte Jesaja dabei
     ein noch zu seiner Zeit (8. Jahrhundert v. Chr.) eintretendes Ereignis im Blick. Außerdem steht im hebräischen Original »junge
     Frau« und nicht »Jungfrau«.
    Die historisch-kritische Arbeit zur Jungfrauengeburt und zur Weihnachtsgeschichte zerstört daher nicht nur den biblischen
     Anknüpfungspunkt der kirchlichen Dogmen zu Maria, sondern auch die Dogmen selbst. Denn wenn Jesus gar nicht von einer Jungfrau
     geboren wurde, fällt auch die gesamte römisch-katholische Mariologie einschließlich der unbefleckten Empfängnis wie ein Kartenhaus
     zusammen und erweist sich als Spuk. Dies alles provoziert die Frage, wie ein Gelehrter vom Rang Joseph Ratzingers die Mariendogmatik
     und Wallfahrten nach Lourdes mit seinem intellektuellen Gewissen vereinbaren kann. Sein Gebrauch der Bibel ist auch in Sachen
     Jungfrauengeburt nur noch peinlich und hat mit historisch-kritischer Vernunft nichts zu tun. Die junge jüdische Mutter Maria
     hätte nicht schlecht darüber gestaunt zu hören, was die christlichen Kirchen ihr und ihrem Sohn später andichten würden.

|81| 19. Liebe den Gleichgesinnten wie dich selbst 1
    Papst Benedikt XVI. sieht in der Einführung zu seiner ersten Enzyklika mit dem Titel »Deus Caritas Est« die Mitte des christlichen
     Glaubens in dem Wort aus dem Ersten Johannesbrief, Kapitel 4, Vers 16 ausgesprochen. Es lautet: »Gott ist die Liebe, und wer
     in der Liebe bleibt, bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm.« Anschließend behandelt er gelehrt die »Einheit der Liebe in
     Schöpfung und Heilsgeschichte« und bilanziert das »Liebestun der Kirche als eine ›Gemeinschaft der Liebe‹«. Christliche und
     nichtchristliche Kreise, ja selbst eingefleischte Kritiker der Kirche haben ihm daraufhin Lob gezollt.
    Indes geben die die Bibel erklärenden Ausführungen der Enzyklika – die Grundlage alles Folgenden – zu schwerwiegenden Einwänden
     Anlass. Denn zum einen bezeichnet das Liebesgebot in den Schriften, die angeblich vom Jesusjünger Johannes stammen, nur das
     Gebot der Bruderliebe, nie das der Nächsten- oder gar der Feindesliebe, und taugt daher nicht als Botschaft für den Raum außerhalb
     der Kirche. Der Papst verschweigt damit eine elementare historische Einzelheit, die zum Verstehen der Schriften des »Johannes«
     unumgänglich ist.
    Zum anderen waren die Gemeinden des »Johannes« weit davon entfernt, nach der Liebe zu leben, die Benedikt XVI. seiner heutigen
     Kirche empfiehlt. Der Erste Johannesbrief, aus dem die Enzyklika eingangs zitiert, knüpft das Bruder-Sein an den rechten Glauben.
     Ebenso der Zweite Johannesbrief, den die Enzyklika nicht nennt. Hier führt »Johannes« näher aus (Verse 9–11), man dürfe nur
     denjenigen Bruder auf der Durchreise aufnehmen, der bekennt, |82| dass Christus ins Fleisch gekommen ist. Dagegen soll der ketzerische »Bruder«, der anders über die Menschwerdung Christi denkt,
     fortan keine

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