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Wer weiter sehen will, braucht hoehere Schuhe

Titel: Wer weiter sehen will, braucht hoehere Schuhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peta Mathias
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darüber hegt, wie der Besitz genau dieses hinreißenden Paars das eigene Leben verändert. Mit diesem Schuh würde so manches ganz anders werden. Schuhe, Reisen und ich sind ein psychopathologisches Phänomen, das sich über jede Erklärung hinwegsetzt. Schuhe haben Sex in der Finsternis meines Koffers und vermehren sich ganz ohne mein Zutun. Denn ein guter Schuh ist so etwas Besonderes, dass wir ihn niemals wegwerfen, selbst wenn er schon auseinanderfällt. Ich lasse meine Lieblingsschuhe wieder und wieder und wieder reparieren, bis der Schuster mir rät, ich solle vielleicht professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Bildlich gesprochen: Wenn ich diesen Schuh wegwerfe, werfe ich damit automatisch die Reise weg, die mit ihm verbunden ist.
Alles, bloß nicht Zug und Flugzeug
    Zugreisen stellen eine einzigartige Gelegenheit dar, grauenhafte Mahlzeiten zu sich zu nehmen und harmlosen Durchgeknallten zu begegnen, während man dasitzt und rein gar nichts tut. Das ist, wie jeder weiß, der Grund, weshalb Menschen den Beruf des Reiseautors ergreifen. Ich habe gelernt, Menschen nicht zu erlauben, sich im Flugzeug mit mir zu unterhalten, nicht weil ich verklemmt oder so was bin, sondern weil ich noch nie im Leben eine interessante Unterhaltung in einem Flugzeug geführt habe. Noch nie. Stattdessen läuft es immer nach demselben Muster ab: Ein Mann (zwanghafte Plaudertaschen), frisch getrennt, beschwert sich in epischer Breite darüber, zwanzig Jahre lang mit einem üblen Miststück verheiratet gewesen zu sein. Und diese Typen merken auch nie, dass man bereits im Koma neben ihnen liegt oder aus den Ohren blutet.
    Ich würde am liebsten in einer von Kerzenschein erhellten Pferdekutsche mit vier jungen Sklaven reisen, die sich meiner weiblichen Bedürfnisse annehmen, und vier weiteren, die meine Sachen zusammenlegen und mithilfe ihres Körpergewichts plätten. Am liebsten wäre ich ein langgliedriges Geschöpf mit Alabasterhaut, wie Sterne funkelnden Augen und einem so reizenden und sanftmütigen Wesen, dass die Sonne sich zeigt, wenn allein mein Name ausgesprochen wird. Am liebsten würde ich mich in Gewänder aus goldenem Satin hüllen, deren weicher Stoff sich um meine festen, perfekten Kurven schmiegt und die Schönheit meines Körpers zur Geltung bringt. Okay, und so sieht die Realität aus: Ich bin gut einen Meter sechzig groß, schleppe grundsätzlich mein eigenes, viel zu üppiges Gepäck herum, habe Abermillionen Sommersprossen und so leuchtend rotes Haar, dass ein irischer Pilot mir einmal riet, eine Karriere als Leuchtsignal auf der Landebahn ins Auge zu fassen. Für eine gesellige Einzelgängerin schlage ich mich gar nicht so schlecht: nur ein paar vereinzelte Tränen, jede Menge schallendes Gelächter, viele Tage im Winterschlaf, eine kleine Handvoll Wutanfälle und jede Menge nicht zu zügelnder Neugier; allesamt Eigenschaften, die man haben muss, wenn man gern reist. Ich habe mich schon immer über Reiseautoren gewundert, denen es an jeglicher Höflichkeit und verbindlichem Charme fehlt. Wie kriegen sie die Leute dazu, mit ihnen zu reden? Wie schaffen sie es, in ihre Häuser eingeladen zu werden? Wer sollte einen schon zum Essen einladen, wenn man Gefahr läuft, dass einem derjenige danach die Hand abbeißt? Und wie ist es möglich, dass diese Menschen Millionen Bücher verkaufen?
Wieso reisen wir?
    Bruce Chatwin nennt es horreur de domicile – dieser Hang zum Nomadentum, der sowohl dem Bedürfnis, den eigenen vier Wänden den Rücken zu kehren, als auch dem Bedürfnis erwächst, nach Hause zurückzukehren. Wir alle haben diese Wanderlust von unseren Vegetarier-Vorfahren geerbt, ebenso wie das Verlangen nach einem Hafen, einem Zuhause, das uns von den Fleischfressern genetisch mit auf den Weg gegeben wurde. Dabei zieht ein Nomade keineswegs ziellos von Ort zu Ort, au contraire : Er folgt vorgezeichneten Pfaden, einer Berufung, sei sie beruflicher, spiritueller oder pastoraler Natur. Ein Wanderer ist normalerweise ein armer Geselle, weil Luxus die Mobilität einschränkt. Man kann kein üppiges Haus, goldene Wasserhähne, gesellschaftliche Verpflichtungen und Überfluss auf der ganzen Linie UND Freiheit, Bewegungsfreude und Verständnis für andere Kulturen und Klimabedingungen zugleich haben. Ein unstillbares Verlangen nach Geld und Gold hat schon so manchen Nomadenstamm in den Ruin getrieben.
    Pascals These zufolge hat das Unglück des Menschen nur eine einzige Ursache: seine Unfähigkeit, ruhig in einem Zimmer

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