Wer weiter sehen will, braucht hoehere Schuhe
katholischen Priesters stammen. Nur Leiden schenkt dem armen Sünder Erlösung, sprich, man wird gezielt aufgefordert, gegen die Mechanismen des eigenen Körpers zu arbeiten.
Der Trick beim Sport ist, ihn zufällig, also ohne gezielte Absicht zu betreiben, also nicht den Aufzug nehmen, sondern Treppen steigen; mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren oder zu Fuß gehen; das Auto stehen lassen, wenn sich das Restaurant in der Nähe befindet; wenn Sie am Strand leben, setzen Sie sich nicht einfach in den Sand, sondern ziehen Sie die Schuhe aus und gehen ein Stück am Ufer entlang. Wenn Sie im Wasser sind, lassen Sie sich nicht wie ein Wal treiben, sondern bewegen Sie aktiv die Beine; unternehmen Sie Morgen- oder Abendspaziergänge. Was mich abschreckt, ist diese grauenhafte Sportkleidung: Nur Triathleten sehen in diesem Lycra-Zeug gut aus. Ziehen Sie also etwas an, worin Sie sich wohlfühlen, bequeme, aber schicke Schuhe, und eine dunkle Sonnenbrille, damit keiner erkennt, was für eine durchgeknallte Wahnsinnige sich dahinter verbirgt, und drehen Sie entschlossenen Schrittes in Marni-Hosen Ihre Runden.
Das wahre Geheimnis ewiger Schönheit, Jugend und Gesundheit ist denkbar einfach: Ernährung. Obst und Gemüse, Obst und Gemüse, Obst und Gemüse. Das Risiko einer Herz- und Krebserkrankung, allen voran Darm- und Brustkrebs, kann durch eine gesunde Ernährung mit viel Obst und Gemüse um sage und schreibe 40 Prozent gesenkt werden. Diese minimale Veränderung Ihres Lebensstils bringt enorm viel. Auch ein oder zwei Gläser Rotwein am Tag (Weißwein eignet sich besser für das Entfernen von Flecken und zur Desinfektion) empfiehlt sich; essen Sie mindestens zwei kleine Ecken dunkle Schokolade pro Tag, trinken Sie so viel Kaffee, wie Sie wollen, haben Sie Sex, wenn Ihnen der Sinn danach steht, und essen Sie viel Fisch, das ist gut fürs Gehirn.
Frauenzeitschriften propagieren auf jeder zweiten Seite, dass ewige Jugend in greifbarer Nähe ist, nur dass das Ganze nicht als ewige Jugend bezeichnet wird, sondern als Hautpflege und mit pseudowissenschaftlichen Namen wie zellularaktiver Jugendkomplex daherkommt, was nichts anderes als ewige Jugend bedeutet. Wenn eine Frau für 170 $ einen winzigen La Prairie-Tiegel ersteht, kauft sie sich keine Creme, sondern eine gewaltige Portion Hoffnung, heißt es immer so schön. Kollagen, Elastin, Botafirm und Liposomen sind die »big player«, aber rein zufällig weiß ich, dass die Kapseln von Elizabeth Arden keine Falten verhindern, denn – wer hätte es gedacht – ich habe einen Spiegel zu Hause. Die Werbung manipuliert uns alle auf ganz raffinierte Weise. Man ertappt sich beim Kauf teurer Gesichtscremes, nur weil man wie ferngesteuert über die Schwelle eines Kaufhauses tritt und das Erdgeschoss durchquert. Ich persönlich schaffe es nicht mal vom Eingang bis zum Lift, ohne dass mir durch den Kopf geht, was ist, wenn Ralph Nader mit all seinen Verbraucherschutzkampagnen danebenliegt und Estée Lauder doch recht hat? Monate danach, nachdem ich den Gegenwert des Bruttoinlandprodukts eines afrikanischen Zwergstaats für einen Tiegel ewiger Jugend und ein Fläschchen Parfüm hingeblättert habe, laufe ich herum und frage mich, wieso meine Freunde beim Anblick meines geradezu dramatisch verjüngten Teints nicht rückwärts vom Stuhl fallen.
Früher waren es lediglich Cremes, heutzutage sind es invasive chirurgische Eingriffe, bei denen mit Nadeln gepiekst (»Die Nadel ist ganz, ganz dünn, Peta.« Wieso fühlt sie sich dann wie ein Brotmesser an?), mit Elektroschocks behandelt, verbrannt, geschnippelt, aufgefüllt und gestopft wird. Ganze Brocken weiblichen Fleisches werden auf diese Weise weggeworfen. Heutzutage lässt man nicht nur »etwas machen«, wenn die Fassade zu zerfallen droht und sich die Knie in Richtung Fußboden verabschieden, nein, man erwägt den Einsatz »präventiver« kosmetischer Eingriffe. Hollywood-Schauspielerinnen bekommen keine Angebote mehr, weil ihre Gesichter so mit Botox vollgepumpt sind, dass sie keine Emotionen mehr zeigen können. Meiner Erfahrung nach läuft bis zum 45. Lebensjahr alles prima, doch dann kommt der Schock. Man steht vor dem Spiegel und fragt sich, wie das passieren konnte. Ich bin doch erst 27 …
Wir leben in einer beängstigend jugendorientierten Gesellschaft. Dabei war ich eine völlige Idiotin, als ich noch jung und halbwegs hübsch war. Wer hat uns eingeredet, dass wir uns alle in diesen Zustand zurücksehnen müssen? Teilweise liegt es
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