Wer weiter sehen will, braucht hoehere Schuhe
breiter. Wir bekamen nun auch Bohnen mit Guacamole, Mais, gebratene Rote Bete mit Balsamico-Orangen-Dressing, Sushi, Pasta, Gemüsesuppen, Fisch mit Sauce und ein unglaubliches Mango-Minz-Sorbet mit Beeren-Coulis. Und dann kam der Kochkurs, bei dem Küchenchef David Hunter uns fettarme Rezepte wie Meerbrasse auf asiatischem Nudelsalat, Fettuccine mit in Limonen aromatisierten Champignons und Avocadopesto (ich weiß, was Sie jetzt denken, aber probieren Sie es einmal, es schmeckt fantastisch) und meinen absoluten Favoriten nahebrachte: Meeresforellen-Frühlingsrollen mit süßer Chilisauce. David Hunter hat auch ein Buch mit seinen herrlich angerichteten Rezepten für aromatische, gesunde und einfach nachzukochende Gerichte herausgegeben – zum Beispiel das berühmte Müsli à la Golden Door , Früchtebrot, rote Paprikasauce, pochierter Red Snapper mit Koriander, Limonen-Mango-Salsa und eine Auswahl an Fruchteiscremes.
»Los, raus damit, Mädchen. Komm schon, putz dir die Nase. Braves Mädchen.«
Ich heule, meine Nase läuft wie verrückt, während ich die wahrscheinlich schlimmsten Schmerzen meines ganzen Lebens seit 1976 leide, als mir das Herz gebrochen wurde. Ich liege in einem der Massageräume im Golden Door , und die Frau, die den Schlüssel für die Linderung meiner Schmerzen in Händen hält, ist eine Maori-Kriegerkönigin. Sie hat sich schlauerweise als Triggerpoint-Physiotherapeutin verkleidet, ist in Wahrheit aber eine Hexe. Man spürt ihre Kraft, sobald sie bloß die Tür aufmacht, und eines kann ich Ihnen versichern, ihre Finger fühlen sich an wie Pistolenläufe, die sich in die Betonmauer drücken, die ich als meine Wirbelsäule bezeichne. Noch nie hatte ich solche Schmerzen. Jane, die gerade eine Gesichtsbehandlung hinter sich hat, sitzt strahlend in ihrer ganzen Pracht im Nebenraum.
Vielleicht fragen Sie sich, weshalb ich jeden Abend völlig erledigt war. Tja, wegen des Nudeltrainings, bei dem der Trainer einen zwingt, sich eine Polystyrol-Nudel zwischen die Beine zu klemmen und unter Wasser zu laufen, gefolgt von einer Stunde Pilates, Wasserpolo und Afrotanz. Die Instruktoren im Golden Door legten nicht diese hysterische Hektik an den Tag, wie man sie sonst von Trainern gewohnt ist. Stattdessen gaben sie kompetente Anweisungen, stets mit einem Lächeln und einer leisen Korrektur ins Ohr, wenn man etwas verkehrtmachte. (»Leg dein linkes Bein um dein rechtes Ohr, habe ich gesagt, Peta, nicht um das deines Nachbarn.«) Die Leute waren sogar so nett, dass manche Gäste in Tränen ausbrachen, andere wiederum machten ihrem Masseur einen Heiratsantrag, und selbst Zyniker wie Jane und ich hatten keinerlei Grund zur Beanstandung. Die Menschen kommen unglaublich gern hierher, beeindruckende 35 Prozent der Gäste sind Wiederholungstäter. 75 Prozent der Gäste sind Frauen, knapp 25 Prozent Männer, und bei rund einem Prozent weiß ich nicht recht, welchem Geschlecht ich sie zuordnen soll (okay, war nur ein Scherz).
Am Ende klammerte man sich an den Beinen des Trainers fest und bettelte, noch eine Weile bleiben zu dürfen. Davor jedoch wurden wir noch mal in den Speck gekniffen und vermessen. Jane hatte ihre Sache sehr gut gemacht, und auch ich konnte mit großer Freude vermelden, dass ich hier und da ein paar Zentimeter verloren hatte – ein paar um die Taille, allerdings null Komma null an den Knöcheln. Meine Knöchel trieben mir die Tränen in die Augen, doch als es daran ging, mit den Händen die Zehen zu berühren, schaffte ich es problemlos. Ich war zum Naturwunder geworden, die Gelenkigkeit in Person!
»Ich fühle mich fantastisch, Jane. Und du?«
»Sehr gut. Null Rückenschmerzen. Ich hätte nie gedacht, was ich hier alles ausprobiere. Was machen wir wohl als Erstes, wenn wir wieder in die reale Welt zurückkehren?«
»Pinkeln und einen anständigen Gin trinken.«
Sterben und Tod
Von der berühmten Schweizer Psychiaterin Elizabeth Kübler-Ross stammt ein sehr renommiertes Buch über das Sterben und den Tod. Sie war der Überzeugung, dass Schuldgefühle höchstwahrscheinlich der schmerzlichste Begleiter des Todes sind, und gilt als die Erfinderin der fünf Verarbeitungsstufen bei tödlichen Krankheiten im Endstadium – Leugnen, Wut, Verhandeln, Depression und Akzeptanz. Diese fünf Stadien kommen auch bei jenen zum Tragen, die den Tod eines geliebten Menschen verarbeiten müssen. Meiner Erfahrung nach ist die Tatsache, dass man krank ist und Schmerzen leidet, der neuralgische Punkt, nicht
Weitere Kostenlose Bücher