Wer will schon einen Traummann: Roman (German Edition)
berechnete. Nachdem sie Geld eingeworfen hatte, drückte sie auf die richtigen Knöpfe und bekam ihr Ticket.
Danach schaffte sie es glücklich durch das Drehkreuz und zur Zugplattform. Mit heftig klopfendem Herzen, den Kopf nervös in ihre Lektüre vergraben, wartete sie auf die U-Bahn, die sie in die Außenbezirke von Washington bringen würde. Wenn sie Rockville erreicht hatte, wollte sie sich ein Taxi nehmen und einen der zahlreichen Gebrauchtwagenhändler an der Route 355 aufsuchen. Hoffentlich fand sie einen Verkäufer, der gierig genug war, einer alten Dame ein Auto zu verkaufen, auch ohne ihren Führerschein zu kontrollieren.
Drei Stunden später saß sie hinterm Steuer eines unauffälligen, vier Jahre alten blauen Chevy Corsica und fuhr auf der Interstate 270 in Richtung Frederick, Maryland. Tatsächlich, sie hatte es geschafft! Sie war raus aus Washington. Für den Wagen hatte sie zwar einen gesalzenen Preis bezahlt; aber das war ihr egal, da niemand ihn mit Cornelia Case in Verbindung bringen würde.
Sie versuchte ihre um das Lenkrad verkrampften Finger zu entspannen, schaffte es aber nicht. Im Weißen Haus schrillten inzwischen sicher die Alarmglocken, und es war Zeit, ihren Anruf zu tätigen. Während sie die nächste Interstate-Ausfahrt nahm, überlegte sie, wann sie zum letzten Mal Autobahn gefahren war. Manchmal steuerte sie selbst, wenn sie auf Nantucket oder in Camp David war – ansonsten jedoch fast nie.
Auf der linken Straßenseite tauchte ein kleiner Supermarkt auf, dort bog sie ab, stieg aus dem Wagen und ging zu der Telefonzelle, die etwas an der Seite stand. Bevor sie den Hörer abnahm, musste sie die Anweisungen sorgfältig lesen, da sie an die Effizienz der White-House-Operators gewöhnt war. Schließlich wählte sie die Nummer des privatesten Anschlusses aller Oval-Office-Anschlüsse, der definitiv nicht abgehört werden konnte.
Nach dem zweiten Klingeln nahm der Präsident persönlich ab. »Ja?«
»Hier ist Nealy.«
»Um Gottes willen, wo sind Sie? Ist alles in Ordnung?«
Die Aufregung in seiner Stimme verriet ihr, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Den Anruf hätte sie nicht länger hinauszögern dürfen. Ihr Brief war offenbar gefunden worden – aber niemand hätte mit Sicherheit sagen können, ob sie ihn nicht unter Druck geschrieben hatte; schließlich wollte sie nicht mehr Staub aufwirbeln als unbedingt nötig.
»Es geht mir gut. Ausgezeichnet. Und der Brief ist echt, Mr. President. Niemand hat mir eine Pistole an den Kopf gehalten.«
»John ist furchtbar in Sorge. Wie konnten Sie ihm das antun?«
Das hatte sie erwartet. Jeder, der zur Familie des Präsidenten gehörte, musste sich einen Codenamen merken, der in einem Entführungsfall zu benutzen war. Wenn sie einen Satz mit dem Namen John North darin erwähnte, würde der Präsident wissen, dass man sie gegen ihren Willen festhielt.
»Es hat nichts mit ihm zu tun«, antwortete sie.
»Mit wem?« Er gab ihr eine weitere Chance.
»Man hat mich nicht entführt«, gestand sie.
Endlich schien er zu begreifen, dass sie das alles aus freiem Willen unternahm, und seine Wut war ihm deutlich anzumerken. »In Ihrem Brief steht kompletter Blödsinn! Ihr Vater ist außer sich!«
»Richten Sie ihm bitte nur aus, dass ich ein wenig Zeit für mich selbst brauche. Ich werde gelegentlich anrufen, damit Sie wissen, wie es um mich steht.«
»Das können Sie nicht machen! Sie können nicht einfach verschwinden. Hören Sie mir zu, Cornelia! Sie haben Verpflichtungen und brauchen den Schutz des Secret Service. Sie sind die First Lady.«
Es war zwecklos, mit ihm zu streiten. Seit Monaten sagte sie ihm und ihrem Vater, dass sie eine Pause nötig hatte und einmal weg musste von allem – aber keiner der beiden wollte ihr zuhören. »Maureen soll der Presse sagen, dass ich eine Erkältung habe. Das wird sie für eine Weile beruhigen. In ein paar Tagen rufe ich wieder an.«
»Warten Sie! Das ist gefährlich! Sie brauchen unbedingt Schutz. Sie können unmöglich …«
»Auf Wiedersehen, Mr. President!«
Damit hängte sie auf und schnitt somit dem mächtigsten Mann der freien Welt das Wort ab.
Auf dem Rückweg zu ihrem Auto musste sie sich zwingen, nicht zu rennen. Das Polyesterkleid klebte ihr am Leib, und ihre Beine unter den heißen Stützstrümpfen fühlten sich an, als gehörten sie ihr nicht mehr. Tief durchatmen , befahl sie sich. Tief durchatmen . Es gab zu viel zu tun, um jetzt zusammenzubrechen.
Ihre Kopfhaut
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