Wer will schon einen Vampir?: Argeneau Vampir 8
hatte machen wollen, und legte ebenfalls den Gurt an. Wenn sie ihr Ziel fast erreicht hatten, dann musste sie ihn nicht wieder von sich trinken lassen. Zum einen fühlte sie sich erleichtert, zum anderen jedoch war sie zutiefst enttäuscht.
Auf dem Flughafen Schiphol herrschte der gleiche Trubel wie zuvor auf Gatwick, aber jetzt war Thomas nicht mehr so geduldig. Die Menschenmenge ringsum ließ seine Krämpfe nur noch schlimmer werden, weshalb er sie so schnell wie möglich hinter sich lassen wollte. Er dirigierte Inez aus dem Gebäude zum Bahnsteig und stellte erleichtert fest, dass dort soeben ein Zug einfuhr. Am Fahrkartenautomat wartete er gereizt, dass der junge Mann vor ihm endlich einen Fahrschein zog, dann eilte er mit Inez zum Zug, den sie gerade noch erreichten, bevor sich die Türen schlossen.
Die untere Ebene war zu drei Vierteln besetzt und damit für Thomas’ Empfinden bereits überlaufen. Als Inez auf zwei freie Plätze zusteuerte, schob er sie weiter, bis sie eine Treppe erreichten, die hinauf zur oberen Ebene führte. Wie erhofft, hielten sich dort wesentlich weniger Fahrgäste auf. Thomas führte Inez zu zwei Plätzen mit Tisch, ließ seinen Rucksack zu Boden fallen und setzte sich hin.
„Mich wundert, dass Mr. Argeneau nicht einen Wagen geschickt hat, um uns abzuholen”, sagte sie lachend, als sie sich außer Atem auf ihren Platz sinken ließ.
„Er hat es angeboten”, bestätigte Thomas. „Aber mit dem Auto stehen wir nur im Stau. Da ist der Zug schneller. Und in Amsterdam selbst nehmen die meisten Leute das Fahrrad, oder sie gehen zu Fuß. Wir fahren mit dem Zug bis zum Hauptbahnhof, von da geht es mit dem Bus weiter zum Hotel.”
Inez nickte und schaute aus dem Zugfenster, wo es aber nicht viel zu sehen gab. Es war Nacht, und vereinzelt glitten ein paar Lichter vorüber, mehr nicht. Sie drehte sich wieder zu Thomas um und fragte neugierig: „Waren Sie schon mal in Amsterdam?”
„Schon einige Male. Und Sie?” Die Art, wie sie den Kopf schüttelte, brachte ihn zum Grinsen. „Hat der Ruf der Stadt Sie abgehalten?”, wollte er wissen. Inez lächelte ironisch und nickte bestätigend.
„Es ist aber nicht dieser Ruf, weswegen sie berühmt ist”, erklärte Thomas ruhig. Sie legte den Kopf schräg und machte eine verwunderte Miene. „Dann ist Amsterdam nicht für sein Rotlichtviertel berühmt? Und auch nicht für den legalen Drogenkonsum?”
„Ja und nein”, räumte er ein. „Aber das ist nur ein Aspekt der Stadt. Amsterdam ist ein wirklich reizendes, gemütliches Fleckchen Erde, und viele Gebäude sind älter als in London. Sehr pittoresk, das Ganze. Ich glaube, es wird Ihnen gefallen.”
„Das werden wir ja sehen”, gab sie unverbindlich zurück.
Thomas sah kurz aus dem Fenster und dann wieder zu Inez. „Bastien hat gesagt, er lässt für Sie Kleidung und andere Sachen ins Hotel bringen.” Auf ihre fragende Miene hin fügte er hinzu: „Ich habe ihn wissen lassen, dass Sie ohne Gepäck reisen würden.”
„Sehr aufmerksam von Ihnen”, erwiderte sie ernst.
„Ich bin eben ein aufmerksamer Typ”, sagte Thomas beiläufig.
„Ja, das sind Sie”, pflichtete sie ihm bei, und das in einem so ernsten Tonfall, dass er sich regelrecht unbehaglich fühlte. Noch unbehaglicher wurde ihm zumute, als sie dann fragte: „Wie alt sind Sie eigentlich?”
Er verzog den Mund. Durch die Art, wie Bastien und Lucern ihn immer behandelten, kam er sich üblicherweise wie das Nesthäkchen der Familie vor, obwohl seine Schwester Jeanne Louise jünger war als er. Da er aber wusste, dass Inez nicht über dreißig sein konnte, brachte ihn sein eigenes Alter in Verlegenheit. Schließlich antwortete er nur: „Ich bin alt.”
„Wie alt?”, hakte sie nach und erklärte dann grinsend: „Ich frage das nur, weil Männer umso rücksichtsvoller werden, je älter sie sind. Und Sie sind sehr rücksichtsvoll.”
„Ich bin nicht rücksichtsvoller als jeder andere Mann”, widersprach er ihr und reagierte mit einem abfälligen Schnauben.
„Thomas, Sie sind mit Abstand rücksichtsvoller als jeder andere Mann, den ich bislang kennengelernt habe.” Als er abermals protestieren wollte, zählte sie an den Fingern einer Hand ab: „Erst lassen Sie mir ein Bad ein und bestellen mir ein Frühstück aufs Zimmer, nachdem Sie herausgefunden haben, dass ich mich Hals über Kopf auf den Weg gemacht habe, um Sie am Flughafen abzuholen. Jetzt sorgen Sie dafür, dass ich nicht ohne Kleidung zum Wechseln in
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