Wer will schon einen Vampir?: Argeneau Vampir 8
noch um dieses Thema, und jetzt, da sie sich mit Thomas allein in diesem Zimmer befand, bewegte sie sich am Rand einer Panik. Ihre Nerven waren bis zum Zerreißen angespannt, und während des Flugs hatte sie sich nicht ausgemalt, wie diese Nacht verlaufen würde, sondern sich gewünscht, sie wäre schon vor Monaten auf diesen Moment hingewiesen worden. Dann hätte sie nicht so oft ihre Besuche im Fitnessstudio vor sich hergeschoben und ausfallen lassen; und so manches Mal hätte sie auf einen Muffin zum Frühstück verzichtet; und, und, und.... Die Liste war endlos: Maniküre, Pediküre, Gesichtsmaske, Wachsbehandlung.... Tausend Dinge, die sie nackt besser hätten aussehen lassen, gingen ihr durch den Kopf. Tausend Dinge, die sie hätte tun wollen und sollen.
Nachdem es Inez gelungen war, auch den letzten Rest Selbstbewusstsein in die Flucht zu schlagen, kam sie zum nächsten Thema: ihrer sexuellen Erfahrung beziehungsweise ihrem Mangel an ebensolcher. Zwar war sie keine Jungfrau mehr, aber sie hatte ihr Privatleben völlig vernachlässigt, um sich ganz auf ihre Karriere zu konzentrieren. Dadurch war sie bis zur Vizepräsidentin aufgestiegen, doch ihr Liebesleben war auf der Strecke geblieben. Eine Verabredung mit einem Mann lag schon lange zurück. Und noch länger war es her, dass sie mit einem Mann geschlafen hatte. So lange, dass es nicht verkehrt gewesen wäre, zu einem Handbuch zu greifen, um ihr Gedächtnis aufzufrischen.
Inez wusste, es war eine blöde Idee, noch während sie ihr durch den Kopf ging, schließlich hatte sie nicht vergessen, was zu tun war. Vielleicht jedoch gab es inzwischen irgendwelche neuen Techniken und Fertigkeiten, von denen sie gar nichts wusste. Zum Beispiel ein geheimer Knopf, den man drücken konnte, damit der Mann erblindete und nicht sah, welchen unvollkommenen Körper er vor sich hatte.
Sie verzog skeptisch den Mund, da die Existenz eines solchen Knopfs nicht sehr wahrscheinlich war. Plötzlich strich etwas über ihre Schultern, sie quiekte vor Schreck auf und fuhr herum. Thomas stand da, die Hände erhoben, um sie auf ihre Schultern zu legen, und sah sie ratlos an. Einen Moment lang rührte sich keiner von ihnen, schließlich räusperte sich Thomas. „Alles in Ordnung? Ich wollte dich nicht erschrecken.”
„Alles bestens”, versicherte sie ihm sofort mit so hoher Stimme, dass sie Minni Maus hätte Konkurrenz machen können.
„Hmm”, sagte er und betrachtete sie nachdenklich. „Ich wollte vorschlagen, dass wir uns vom Zimmerservice etwas zu essen bringen lassen. Hast du Hunger?”
„Ja”, stieß sie hervor und ging sofort auf seinen Vorschlag ein. Alles, was den Rest der Nacht hinauszögern würde, war ihr mehr als willkommen.
„Gut.” Er schien noch immer über irgendetwas nachzudenken. „Dann sieh dir doch mal die Speisekarte an und such dir etwas aus.”
Sie nickte, durchquerte das Zimmer und nahm die Speisekarte an sich. Unterdessen stellte sich Thomas ans Fenster und schaute auf die Lichter der nächtlichen Stadt. Zwar hatte sie sich schnellentschieden, aber zum Schein ließ Inez sich viel Zeit damit, die Karte zu studieren, weil sie so noch ein paar Minuten mehr schinden konnte. Als sie schließlich die Speisekarte weglegte, schätzte sie, gut zehn Minuten herausgeholt zu haben. Plötzlich spürte sie erneut eine Hand auf ihrer Schulter, und sie zuckte abermals zusammen, verkniff sich aber einen weiteren Aufschrei.
Thomas ging über ihre Reaktion hinweg und fragte wie beiläufig: „Und? Hast du was gefunden?”
Mit einem erzwungenen Lächeln auf den Lippen drehte sie sich zu ihm um und machte gleichzeitig einen Schritt rückwärts. „Willst du auch was?”, entgegnete sie und hielt ihm die Speisekarte hin.
Als er sie ihr aus der Hand nahm, sagte er zwar kein Wort, doch sie hätte schwören können, dass er sich ein Lächeln verkneifen musste. „Danke”, murmelte er, musterte sie und meinte dann: „Du kommst mir etwas angespannt vor. Wie wäre es, wenn du dir dein Schlafzimmer aussuchst und dann ein Bad nimmst? Ich warte mit der Bestellung, bis du gebadet hast.”
„Oh ja, das ist eine gute Idee”, stimmte sie ihm erleichtert zu. Das war ein weiterer Aufschub, der ihr Gelegenheit gab, ihre Beine zu rasieren und noch ein paar Kleinigkeiten zu erledigen, die ihrem Selbstvertrauen ein wenig Auftrieb geben konnten. Sie hätte diesen Mann dafür umarmen und küssen können, stattdessen jedoch griff sie nach dem Koffer, den sie in Amsterdam gekauft
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