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Wer Wind sät

Wer Wind sät

Titel: Wer Wind sät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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Und den müssen wir finden.«
    Â»Nein, Oliver. Du musst gar nichts. Das ist meine Angelegenheit. Ich hätte gestern Abend nicht hierherkommen dürfen.«
    Sie hatte die ganze Nacht nicht geweint, aber jetzt standen die Tränen in ihren Augen.
    Â»Ich habe einen Fehler gemacht«, flüsterte sie. »Einen Riesenfehler. Und dafür muss ich jetzt büßen.«
    Sie senkte den Kopf und begann zu schluchzen. Bodenstein betrachtete sie. Eine Welle der Zärtlichkeit ließ sein Herz schneller schlagen. Ohne genau sagen zu können, weshalb er das tat, wagte er sich auf das dünne, brüchige Zweiglein, das sich Vertrauen nannte. Er entschied sich für einen waghalsigen Drahtseilakt ohne Netz und doppelten Boden.
    Â»Du bist nicht allein, Annika. Ich helfe dir«, versprach er ihr. Bodenstein hatte beschlossen, einmal in seinem Leben unvernünftig zu sein, denn er hatte sich verliebt.
    *
    Jannis wartete, bis Ricky wutschnaubend das Haus verlassen hatte, nachdem sie ihn noch etwas beschimpft und ihm vorgeworfen hatte, er sei der letzte Egoist. Er zog sich an, steckte Handy und Portemonnaie ein und holte sein Fahrrad aus der Garage. Bevor der Kiosk aufmachte, würde er schnell durch den Wald zum Hofgut Bodenstein fahren. Er hatte sich daran erinnert, wie er Nika und Heinrichs Sohn, den Kripobullen, einträchtig vor dem Supermarkt gesehen hatte; mit Sicherheit war sie bei ihm untergekrochen.
    Irgendwie musste er sie davon überzeugen, zurückzukommen. Wenigstens für ein paar Tage. Er würde sie um Verzeihung bitten, notfalls einen auf zerknirscht machen und seinen Fehler eingestehen, das kam bei Frauen immer gut an.
    Jannis war so in Gedanken, dass er den weißen Kleintransporter nicht bemerkte, der zwei Häuser weiter auf dem Bürgersteig parkte und sich nun in Bewegung setzte. Die Luft war kühl und klar, das Gewitter hatte die Schwüle weggewaschen. Ein wunderbarer Tag für eine kleine Radtour oder einen Spaziergang mit Nika. Wenn nichts in den Zeitungen stand, konnte sie ihm auch nichts übelnehmen. Ihre Geheimniskrämerei und ihr Verfolgungswahn waren total übertrieben.
    Jannis trat kräftig in die Pedale und sauste um die Kurve in den abschüssigen Blumenweg. Er gewann rasch an Geschwindigkeit, der Fahrtwind ließ seine Augen tränen. Aus dem Augenwinkel sah er ein Auto näher kommen. Es fuhr dicht hinter ihm her. Die Straße war breit genug – wieso überholte der Depp nicht einfach?
    Jannis wandte sich im Sattel um und bekam einen Schreck, als er die Stoßstange des Lieferwagens direkt neben seinem Bein erblickte. Plötzlich spürte er einen heftigen Stoß. Reflexartig zog er den Lenker ein Stück nach rechts, der Vorderreifen streifte den Bordstein und verkantete. Er stürzte aus voller Fahrt. Die Brille flog weg, er prallte erst mit der rechten Schulter, dann mit dem Kopf gegen die Bordsteinkante, seine Handflächen und Ellbogen schrammten über den Asphalt, und der Fahrradlenker bohrte sich schmerzhaft in seinen Oberschenkel. Für einen Moment sah er nur noch Sternchen. Sein Rad schlitterte ein Stück die steile Straße hinunter und rutschte unter ein geparktes Auto.
    Der Lieferwagen hatte gestoppt, setzte nun zurück und kam direkt auf ihn zu! Verdammt, sah dieser Vollidiot denn nicht, dass er hier lag? Jannis versuchte verzweifelt, von der Straße wegzukommen, Panik erfasste ihn, er wollte um Hilfe schreien, aber er war wie gelähmt. Ungläubig sah er zu, wie ein Hinterreifen sein linkes Bein überrollte, es knackte hässlich. Jannis verspürte jedoch keinen Schmerz, nur Entsetzen.
    Plötzlich standen zwei Männer da, er sah dunkle Hosenbeine und schwarze, glänzende Schuhe.
    Â»Hilfe«, krächzte er benommen. »Helfen Sie mir!«
    Doch statt ihm zu helfen, packte die behandschuhte Hand seinen Hals, drückte ihn unsanft auf den feuchten Asphalt. Ohne Brille erkannte Jannis nur verschwommen die Umrisse eines Gesichts mit einer Sonnenbrille.
    Â»Wo ist Annika Sommerfeld?«, knurrte der Kerl. »Na los, antworte! Oder sollen wir auch noch über dein anderes Bein fahren?«
    Â»Ich … ich … ich weiß nicht, wo sie ist«, röchelte Jannis. Er hatte das Gefühl, ihm müssten jeden Moment die Augen aus dem Kopf springen. Das war gar kein Unfall gewesen! Nika hatte nicht übertrieben – diese Männer waren hinter ihr

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