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Wer Wind sät

Wer Wind sät

Titel: Wer Wind sät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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Gefährlicheres und um Menschen, die über Leichen gingen. Aber Annika war unschuldig. Sie war zwischen die Fronten geraten und musste um ihr Leben fürchten, solange sie diese Unterlagen hatte.
    Â»Du kannst Eisenhut die Sachen doch einfach geben«, sagte Bodenstein in die Stille. »Dann hat er keinen Grund mehr, dich zu verfolgen.«
    Â»So einfach ist es leider nicht. Cieran hat die Unterlagen in einem Schließfach bei einer Schweizer Bank deponiert. Ich habe zwar den Schlüssel und die Legitimation, das Fach zu öffnen, aber keine Möglichkeit, in die Schweiz zu kommen.«
    Â»Warum nicht?«
    Â»Als ich Berlin so überstürzt verlassen habe, habe ich meinen Pass, meinen Ausweis, ja einfach alles dagelassen.« Sie seufzte. »Manchmal kommt mir das alles vor wie ein irrsinniger Alptraum. Mein ganzes Leben ist weg!«
    Ihre Verzweiflung schnitt Bodenstein ins Herz.
    Â»Ich habe schon oft überlegt, mich bei der Polizei zu stellen«, fuhr sie fort. »Einfach alles zu erzählen. Die ganze Wahrheit zu sagen. Sie müssen mir doch glauben!«
    Ja , flüsterte der Polizist in Bodenstein, stell dich! Du bist unschuldig. Man wird die Wahrheit herausfinden. Aber ohne zu zögern schob er alles, weswegen er vor vielen Jahren sein Jurastudium aufgegeben hatte, um zur Polizei zu gehen, beiseite.
    Â»Ich fürchte, du irrst dich«, erwiderte er nüchtern. »Wenn Eisenhut wirklich so einen guten Draht zum Verfassungsschutz hat, ja wenn die vielleicht sogar hinter der Ermordung dieses Journalisten stecken, dann werden sie dir allein aus der Tatsache, dass sich diese Unterlagen in deinem Besitz befinden, ein Motiv für den Mord drechseln. Wenn du dich jetzt stellst, hast du keine Chance.«
    Sie saßen am Tisch in der kleinen Küche des Kutscherhauses. Die Vertrautheit, die sich in der Nacht zwischen ihnen eingestellt hatte, verwandelte sich im Morgenlicht in Befangenheit. Annika sah erschöpft aus. Aber die Angst war aus ihren Augen gewichen, und sie lächelte zaghaft.
    Â»Du rätst mir, mich weiterhin versteckt zu halten?«
    Â»Vorläufig zumindest«, antwortete er.
    Irgendwann gestern Nacht hatte er Annika vorgeschlagen, aus der Wohnung seiner Eltern zu ihm hinüberzugehen. Zum Glück hatte sie das nicht missverstanden oder anzüglich gefunden, sie hatte nur genickt und war ihm über den Hof zum Kutscherhaus gefolgt, das ein Stück abseits lag. Aus dem Küchenfenster konnte man den Vorhof überblicken; einer der Stallarbeiter führte gerade ein paar Pferde zu den Koppeln, die Hufeisen klapperten auf dem Asphalt, der noch feucht vom heftigen Gewitterregen war. Der Himmel leuchtete hellblau und versprach einen schönen Tag.
    Â»Was soll ich bloß tun?« Annika stieß einen tiefen Seufzer aus. »Ich kann dich nicht in diese Sache mit hineinziehen.«
    Â»Du hast es schon getan, indem du es mir erzählt hast. Und ich werde versuchen, dir zu helfen.«
    Sie sahen sich an. Dr. Annika Sommerfeld. So hieß sie wirklich. Sie war keine Putzfrau und keine Verkäuferin, sondern eine renommierte Wissenschaftlerin, die in ernsthaften Schwierigkeiten steckte. War es ein Fehler, ihr diese wilde Geschichte zu glauben? Wie wollte er ihr überhaupt helfen? Trübte seine Zuneigung zu ihr seine Objektivität? Was, wenn sie eine Verstellungskünstlerin war, die ihn instrumentalisierte? Aber konnte man diese Angst, diese Verzweiflung wirklich spielen?
    Â»Ich frage mich, wie ich so naiv sein konnte«, sagte Annika. »Alles, was ich in meinem Leben je tun wollte, war forschen. Dirk hat mir ungeahnte Möglichkeiten eröffnet. Niemals hätte ich für möglich gehalten, dass er zu so etwas in der Lage sein würde.«
    Â»Du hast ihm vertraut«, entgegnete Bodenstein. »Und du hast ihn geliebt.«
    Â»Ja, das habe ich wirklich.« Ihre Stimme klang plötzlich bitter. »Ich habe all die Jahre die Arbeit gemacht, und er hat sich mit den Ergebnissen meiner Forschungen geschmückt. Sein neues Buch … das sollte eigentlich meine Habilitation werden.«
    Sie warf ihm einen so niedergeschmetterten Blick zu, dass er erschrak.
    Â»Ich habe keine Zukunft mehr«, sagte sie deprimiert. »Er hat mir alles gestohlen. Meinen Namen zerstört. Eigentlich ist es egal, was jetzt passiert.«
    Â»Das darfst du nicht sagen!« Bodenstein ergriff ihre Hand und hielt sie fest. »Es gibt immer einen Weg.

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