Wer Wind sät
würde zurücktreten müssen. Er würde aus der weiÃen Villa ausziehen und mit seiner Bettina aus ihrem Leben verschwinden. Cieran schob den Koffer ins SchlieÃfach, klappte es zu, zog den Schlüssel ab und reichte ihn ihr. Ihre Finger schlossen sich fest um das kalte Metall.
»Ich kann es kaum noch erwarten«, sagte sie und lächelte.
Die quälende Ungewissheit war fast noch schlimmer als das ewige Versteckspiel. Wie hatte sie auch nur so blöd sein und Jannis vertrauen können? Warum war sie nicht sofort abgehauen, als er ihr eröffnet hatte, er wisse, wer sie sei? Jetzt saà sie in der Falle. Dirk würde nicht aufgeben, sicher hatte er längst seine Spürhunde auf ihre Fährte gehetzt.
Nika fühlte sich in dem kleinen Haus wie in einem Gefängnis, aber sie konnte nicht weg. Oliver von Bodenstein war ihre einzige Hoffnung. Sie hatte sofort gemerkt, dass er sie mochte. Unter anderen Umständen hätte sie sich vielleicht auch in ihn verlieben können. Aber was hätte das in ihrer momentanen Situation für einen Sinn gehabt? Er war zum falschen Zeitpunkt in ihr Leben getreten.
Eben, während sie noch geschlafen hatte, musste er hier gewesen sein, denn er hatte ihr auf dem Couchtisch einen Zettel hinterlassen.
Muss gleich unbedingt mit dir reden. Bitte bleib im Haus. Niemand darf dich sehen! O. Was hatte das wohl zu bedeuten? Nika unterbrach ihre rastlose Wanderung. Sie blieb am Küchenfenster stehen und blickte hinaus, über die Wiese, hoch zum Schloss. Wie mochte es wohl sein hier zu leben, ohne sich verstellen zu müssen und ohne Angst vor den gnadenlosen Gespenstern der Vergangenheit?
Sie setzte sich auf einen Küchenstuhl und stellte sich vor, wie ihr Leben an Bodensteins Seite aussehen könnte. Einkaufen, putzen, kochen, auf ihn warten, bis er abends von der Arbeit kam? Früher wäre so etwas für sie undenkbar gewesen, doch im vergangenen halben Jahr hatte sich alles verändert. Ihr wahnsinniger Ehrgeiz hatte sich an jenem Tag in Deauville in Luft aufgelöst, an dem Dirk ihr eröffnet hatte, er werde eine andere Frau heiraten. Ganz plötzlich hatte sie nicht mehr verstanden, was sie einmal dazu angetrieben hatte, von morgens bis abends zu arbeiten. Hatte sie wirklich geglaubt, sie könne etwas bewegen, die Welt vor dem Irrsinn der Menschheit retten? Nein, sie hatte sich immer nur selbst belogen. Die traurige Wahrheit war nämlich, dass sie all die Jahre insgeheim gehofft hatte, mit ihrem Einsatz Dirks Herz zu gewinnen. Fürs Bett und die Arbeit war sie ihm gut genug gewesen, dachte sie bitter, aber nicht für die Ehe. Bei diesem Gedanken brodelte wieder Zorn in ihr hoch, heià und mächtig. Belogen hatte er sie. Falsche Hoffnungen geschürt. Fünfzehn Jahre ihres Lebens hatte sie diesem ScheiÃkerl geopfert! Im Dreck sollte er vor ihr kriechen, mit Schimpf und Schande davongejagt und von der ganzen Welt verachtet! Ja, das wäre wohl die richtige Strafe, die einzige, die ihn richtig treffen würde. Nika stand auf und holte tief Luft. Viel Zeit blieb ihr nicht. Sie musste so schnell wie möglich an die Unterlagen kommen.
*
Friederike Franzen blieb wie versteinert auf der vorletzten Stufe der Treppe stehen.
»O mein Gott!«, stieà sie entsetzt hervor. »Wenn Jannis das sieht, dreht er durch. Sogar seine ganzen CD s sind weg!«
Pia und Kröger gingen an ihr vorbei und betraten das Dachgeschoss, in dem sich einmal ein Arbeitszimmer befunden haben mochte. Die Regale waren so leer wie der Schreibtisch, auf dessen Holzplatte nur noch ein einsamer Flachbildschirm stand. Kabel baumelten lose herunter. Ein quadratischer Abdruck im hellgrauen Teppichboden unter dem Schreibtisch war das Einzige, was vom Computer geblieben war. Friederike Franzen sank auf die oberste Treppenstufe, lehnte ihren Kopf an das Geländer und brach erneut in Tränen aus. »Die haben ja echt alles mitgenommen! Warum nur?«
Darauf fielen Pia gleich mehrere Antworten ein. Jannis Theodorakis hatte sich jede Menge Feinde gemacht. Eigentlich war es verwunderlich, dass so etwas nicht viel eher passiert war.
Kröger zog ein paar Latexhandschuhe aus der Tasche seiner Jeans und streifte sie über. Er inspizierte eine Schreibtischschublade nach der anderen. Sie waren alle leer, genauso wie die Schränke und ein Rollcontainer. Kein Blatt Papier, kein Stift, nichts. Auf dem Boden lag eine Rolle mit blauen Müllsäcken,
Weitere Kostenlose Bücher