Wer Wind sät
nichts verloren.
»Hallo«, sagte sie und zwang sich zu einem höflichen Lächeln. Sie machte keine Anstalten, Bodenstein die Hand zu reichen. Die alte Distanz war wieder da. Mehr denn je war er ihr Chef, kein Freund der Familie, den man mit zwanglosen Küssen auf die Wangen begrüÃte.
»Hallo, Pia.« Auch Bodenstein schien sich ein Lächeln abringen zu müssen. Die Anspannung stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Obwohl ihr sein Anblick vertraut war, kam er Pia heute Abend vor wie ein Fremder. »Darf ich dir vorstellen: das ist Annika. Annika, meine Kollegin Pia Kirchhoff.«
Die beiden Frauen nickten sich zu. Christoph schenkte Wein in ein Glas und reichte es Pia. Sie hatte ihn über den Anlass von Bodensteins Besuch informiert.
»Ihr habt etwas zu besprechen«, sagte er deshalb. »Lasst euch nicht stören. Ich kümmere mich um die Steaks und Würstchen.«
»Bitte.« Pia machte eine Handbewegung Richtung Tisch. Eigentlich hatte sie erwartet, mit Bodenstein unter vier Augen sprechen zu können. Stattdessen setzten sich die beiden auf die Teakholzbank, Pia nahm ihnen gegenüber auf einem der Stühle Platz. In den Büschen neben der Terrasse zankten sich zwei Amseln, das monotone Rauschen der Autobahn war hinter dem Haus kaum zu hören.
»Ich möchte mich erst einmal bei dir bedanken, Pia, dass du uns deinen Feierabend opferst«, begann Bodenstein, und seine Wortwahl brachte Pia augenblicklich in Rage.
»Du musst dich nicht bedanken«, entgegnete sie steif. »Du bist hier jederzeit willkommen. Und es ist für mich kein Opfer, mit dir hier zu sitzen. Aber vielleicht könntest du zur Sache kommen.«
Sie vermied bewusst, Bodensteins Begleiterin anzusprechen, und dieser verstand. Er räusperte sich.
»Ich habe mich in den letzten Tagen komisch verhalten, und das tut mir leid. Es war ein Schock für mich, als ich erfahren habe, dass Ludwig meinem Vater sämtliche Grundstücke vermacht hatte. Und dieses ⦠Erlebnis am Mittwochabend ist auch nicht ganz spurlos an mir vorbeigegangen.« Es fiel ihm schwer, Schwächen einzugestehen, das wusste Pia. Aber sie baute ihm keine Brücke, sondern sah ihn nur abwartend an, während er nach den richtigen Worten suchte.
»Mein Vater war auch völlig überfordert mit der Situation«, sprach er schlieÃlich weiter. »Ich war am Freitag bei Rademacher, gleich nachdem mein Vater mir von der Testamentseröffnung erzählt hatte. Ich wollte von ihm wissen, warum er am Dienstagvormittag bei Hirtreiter gewesen war. Er ging nicht darauf ein und kam stattdessen auf diese Wiese und das Testament zu sprechen. Ich war etwas erstaunt, dass er schon Bescheid wusste. Er sagte, er werde meinem Vater das gleiche Kaufangebot wie Hirtreiter machen. Als ich ihm davon abriet, hat er mir gedroht.«
»Gedroht? Wieso?«
»Er sagte, er wisse über die finanzielle Situation meines Bruders Bescheid und darüber, dass eigentlich das Restaurant den ganzen Betrieb unterhielte. Wenn ich nicht dafür sorgen würde, dass mein Vater sein Angebot annimmt, könnte es einen Skandal geben, der den Ruf des Restaurants ruiniert.«
»Das klingt nach Erpressung«, sagte Pia.
»Ja, das habe ich auch gesagt. Rademacher hat aber nicht lang gefackelt. Er ist am Abend zusammen mit Ralph Glöckner bei meinen Eltern aufgekreuzt. Als ich abends nach Hause kam, hatten sie sich im Haus verschanzt und saÃen im Dunkeln. Sie fürchteten wirklich um ihr Leben!«
»Und die Engel hat dich beurlaubt, weil dein Vater die Wiese geerbt hat?«
»Nein. Rademacher hat behauptet, ich hätte hundertfünfzigtausend Euro von ihm verlangt, damit ich meinen Vater überrede, die Wiese an die WindPro zu verkaufen. Er hat Anzeige gegen mich erstattet. Wegen Erpressung, Nötigung und was weià ich noch allem.«
Bodenstein lächelte freudlos. Pia drehte das Weinglas zwischen ihren Fingern und stellte es dann auf dem Tisch ab.
»Warum hast du mir das alles nicht erzählt?«, fragte sie.
»Ich wollte es ja. Aber nicht einfach so im Treppenhaus. Ich habe dich am Freitagabend angerufen und dir auf die Mailbox gesprochen, damit du mich zurückrufst.«
»Das habe ich auch getan. Aber da war dein Handy wieder mal aus.«
»Ich weiÃ. Das hatte einen Grund. Wir saÃen alle bei meinen Eltern in der Küche, Quentin, Marie-Louise und ich, und beratschlagten,
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