Wer Wind sät
was zu tun sei. Da klopfte es, und Annika stand vor der Tür.«
Mit seiner beherrschten Miene hätte er jeden zufälligen Beobachter getäuscht, nicht so Pia. Sie kannte ihn gut genug, um an seinem veränderten Tonfall zu erkennen, wie ernst es ihm mit dieser Frau war.
»Das mit Rademacher und dem Testament war nur das eine, was ich dir erzählen wollte«, fuhr Bodenstein mit gesenkter Stimme fort. »Die andere Sache ist ⦠ein wenig komplizierter. Du erinnerst dich an die drei Männer, die gestern Morgen in Dr. Engels Büro waren?«
»Natürlich.« Worauf wollte er hinaus?
»Das waren zwei Leute vom Staatsschutz. Und Professor Dirk Eisenhut, der Leiter des Deutschen Klima-Instituts. Annikas ehemaliger Chef.«
Pia blickte irritiert zwischen Bodenstein und der Frau hin und her. Sie verstand gar nichts mehr. Staatsschutz? Klima-Insitut?
Bevor Bodenstein weitersprechen konnte, ergriff die Frau, die Pia bisher für eine Verkäuferin in einer Zoohandlung gehalten hatte, das Wort.
»Ich bin Biogeochemikerin und habe am Institut für Meereschemie in Hamburg studiert. Seit 1995 arbeite ich für Professor Eisenhut in Berlin und habe mich auf Klimaforschung spezialisiert. Mein voller Name ist Dr. Annika Sommerfeld.«
Pia betrachtete argwöhnisch das glatte, blasse Gesicht der Frau, dann blickte sie zu Bodenstein hinüber. Glaubte er ihr das etwa? Die Lügenmaus als Klimaforscherin?
»Es sind einige Dinge vorgefallen, die mich dazu gezwungen haben, unterzutauchen und mich bei Ricky Franzen zu verstecken. Ich bin hier aufgewachsen, Ricky und ich waren früher gute Freundinnen. Ich wusste, dass sie mir keine Fragen stellen würde.«
»Aha«, sagte Pia nur. Es interessierte sie nicht die Bohne, wo Annika Sommerfeld aufgewachsen war, aber vielleicht wusste sie, wer Ludwig Hirtreiter auf dem Gewissen hatte. War das der Grund, weshalb Bodenstein sie mitgebracht hatte?
Der appetitliche Geruch von gebratenem Fleisch stieg ihr in die Nase und erinnerte sie daran, dass sie den ganzen Tag kaum etwas gegessen hatte.
»Ricky glaubte mir die Geschichte, dass ich nach einem Burn-out Zeit für mich brauchte. Aber Jannis war neugierig und fand schlieÃlich die Wahrheit über mich heraus«, fuhr Annika Sommerfeld fort. »Am Freitag hielt mein ehemaliger Chef, Dirk Eisenhut, in Falkenstein einen Vortrag. Jannis erwähnte dort meinen Namen im Zusammenhang mit den gefälschten Gutachten der WindPro, obwohl ich ihn vorher gebeten hatte, das auf keinen Fall zu tun.«
»Warum nicht?«
»Ich habe etwas, das für Eisenhut sehr gefährlich ist. Unterlagen, die beweisen, dass er und andere namhafte Klimaforscher mit Wissen der Politik seit Jahren systematisch Daten unterschlagen, und damit die Klimaprognosen der UNO verfälschen. Wenn diese Beweise an die Ãffentlichkeit gelangen, wird das die weltweite Klimapolitik schwer erschüttern und Zweifel an der Glaubwürdigkeit der verantwortlichen Institutionen wecken. Das wäre für Eisenhut, seine Kollegen und die Politiker, die sich die Angst der Menschen vor einem möglichen Klimawandel zunutze machen, eine Katastrophe. Deshalb will Eisenhut diese Unterlagen um jeden Preis in seinen Besitz bringen.«
Pia schüttelte den Kopf. Was hatte das mit ihren Fällen zu tun? Sie warf Bodenstein einen skeptischen Blick zu, aber der hatte nur Augen für Annika.
»Mein Name hat Gewicht in der Klimaforschung«, sagte Annika Sommerfeld nun. »Vor einiger Zeit traten Gegner unserer Forschungen an mich heran und präsentierten mir ihren Verdacht. Ich erkannte, dass sie mit allem recht hatten. Aber indem ich mich auf ihre Seite stellte, geriet ich ins Visier der mächtigen Lobby der Klimaforschung und der Politik. Der Mann, der mir die Unterlagen gegeben hat, wurde ermordet und â¦Â«
»Moment mal«, unterbrach Pia sie. »Warum erzählen Sie mir das alles?«
Sie spürte Bodensteins Blick, aber sie sah ihn nicht an. Hatte er vor lauter Verliebtheit den Verstand verloren und nahm diese abstruse Geschichte ernst?
»Wissen Sie etwas darüber, wer Rolf Grossmann oder Ludwig Hirtreiter getötet hat?«, fragte Pia. Annika Sommerfeld schüttelte den Kopf.
»Dann frage ich mich ernsthaft, weshalb wir hier sitzen«, entgegnete Pia kühl und stand auf. »Ich habe zwei Todesfälle aufzuklären und bekomme jede Menge Druck. Alles andere
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