Wer wir sind
stellen, wie Heinz und Oster es sich erhofft hatten? Die Reaktionen sind jedenfalls enttäuschend.
Und nun? Was könnte man als Nächstes unternehmen?
Der Leiter der Abwehr zuckt die Achseln. Admiral Wilhelm Canaris äußert sich nicht zu den Eskapaden und Kapriolen seiner Untergebenen. Aber er toleriert sie durchaus wohlwollend. Intrigen, Verschwörungen, generelle Geheimnistuereien jeder Art bereiten ihm seit jeher ungeteiltes Vergnügen. Canaris ist ein alter Freund des Brigadekapitäns Ehrhardt. Er hat den Kapp-Putsch unterstützt, er hat der Organisation Consul bei ihren Waffengeschäften geholfen. Er hat Friedrich Wilhelm Heinz persönlich ins Amt geholt, und auch Oster verdankt dem Admiral seine Position.
Der Berufsoffizier Hans Oster hat noch zu Weimarer Zeiten seinen Dienst quittieren müssen, wegen einer Affäre mit einer Offiziersgattin. Die Liebe ist eine gefährliche Sache. Sie kann einem Offizier das Leben ruinieren, davon könnten manche ein Liedlein singen.
Es ist der 5. November 1937. Der Reichskriegsminister, Oberbefehlshaber der Wehrmacht und fünffache Vater Werner von Blomberg liegt mit seiner Geliebten im Bett. Von Blomberg ist neunundfünfzig Jahre alt und seit vier Jahren Witwer. Margarethe Gruhn ist fünfundzwanzig. Blomberg ist zwar Soldat, aber er ist nicht aus Eisen.
Tatsächlich ist der Generalfeldmarschall eine schmiegsame, eine geradezu harmoniesüchtige Natur: Er hat alle Proteste erstickt,die innerhalb des Offizierskorps gegen die Entfernung jüdischer Kameraden etwa hätten laut werden wollen, und er hat kein Sterbenswörtchen gegen die Ermordung der ehemaligen Reichswehrgeneräle Kurt von Schleicher und Ferdinand von Bredow im Verlauf des Röhm-Putsches vorgebracht. Sein Herz war im Gegenteil voll Dank und Liebe: Nach der Ermordung der SA-Führungsspitze hat der Führer die Reichswehr zum einzigen Waffenträger des Reiches erklärt. Blomberg hat noch im selben Jahr 1934 aus ureigenstem Antrieb alle seine Soldaten auf Hitler persönlich vereidigen lassen. Was hat sich der Führer darüber gefreut! Und nun haben sie sich miteinander gestritten, und der Feldmarschall ist bis in den Kern seines Wesens verbittert.
Eigentlich hatte man sich auf der heutigen Konferenz über die Rohstoffzuteilung einigen wollen. Wie sollen die Rüstungsbetriebe sich den großen Aufgaben der Zukunft gewachsen zeigen, wenn es ihnen an Stahl mangelt? Hitler hat an diesen Fragen aber kein übermäßiges Interesse bekundet. Er wollte lieber detailliert ausführen, dass er gedenkt, demnächst in die Tschechoslowakei einzumarschieren. Aus seinem mehrstündigen Vortrag ging hervor, dass er fest davon überzeugt ist, England werde einem solchen Angriff tatenlos zusehen, und dann werden auch die Franzosen nichts unternehmen. Aber Hitler irrt.
Die Briten werden sich an die Seite der Tschechoslowakei stellen, die Franzosen an die Seite der Briten, und es wird zum Krieg gegen Deutschland kommen. Und diesen Krieg kann Deutschland nicht gewinnen. Die Wehrmacht ist nicht ausreichend gerüstet. Wie denn auch, wenn es nicht genug Stahl gibt? Es ist mithin alles Görings Schuld: Er ist schließlich verantwortlich für den Vierjahresplan, über den man heute eigentlich hätte reden müssen.
Blomberg weiß sich mit dieser Ansicht nicht allein. Der Oberbefehlshaber des Heeres Werner Freiherr von Fritsch ist mit ihm ganz einer Meinung. Auch er hat Göring kritisiert und mit aller Schärfe vor einem Krieg gewarnt, ebenso Außenminister Neurath.
»Ach, Krieg«, sagt Margarethe Gruhn. »Es gibt doch keinen Krieg. Wie kann es Krieg geben, wenn du nicht willst? Du hast doch alle diese Ämter. Du bist doch Kriegsminister und Oberbefehlshaber und alles.«
Blomberg lacht leise, geschmeichelt. Er zieht Margarethe an sich, legt eine Hand auf ihre strammen runden Hinterbacken und knetet und drückt das feste Fleisch. Margarethe reagiert aber nicht so freudig wie sonst.
Sie mag Werner Blomberg wirklich, aber sie kann nicht nur auf ihn setzen. Wenn der Feldmarschall sie nicht nimmt, dann nimmt sie eben der junge Friedolin.
»Natürlich ist er mir ganz egal«, sagt Margarethe zu ihrem Feldmarschall. »Natürlich liebe ich nur dich allein, das weißt du ja. Aber es muss jetzt geheiratet werden, so viel steht fest. Ich bin schwanger.«
Werner von Blomberg sitzt bei Göring auf der Couch.
»Ich möchte sie unbedingt heiraten«, sagt er. »Ich muss sie heiraten. Ich liebe sie. Und sie erwartet ein Kind.«
»Aber dann heiraten Sie
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