Wer wir sind
sie doch«, sagt Göring. »Was spricht denn dagegen?«
»Nun ja«, sagt Blomberg. »Sie ist ein einfaches Mädchen. Sie ist bezaubernd, von reinstem Charakter. Aber eben ein Kind des Volkes, sozusagen.«
»Aber das ist doch großartig«, sagt Göring. »Das schadet doch nicht, ganz im Gegenteil. Die nationalsozialistische Bewegung kennt keine Klassenschranken, das wissen Sie doch.Ich werde selbst mit dem Führer reden. Ich bin sicher, er wird einwilligen.«
Der Feldmarschall seufzt.
»Da ist noch etwas«, sagt er. »Eine kleine Sache. Es gibt einen, nun ja, einen jungen Mann. Er ist ein bisschen lästig. Sie verstehen.«
»Auch das ist bestimmt zu lösen«, sagt Göring. »Der Mann will doch sicher Karriere machen. Man muss ihm eine Chance geben. Man muss ihm etwas im Ausland offerieren. Argentinien, vielleicht?«
»Mein Herr«, sagt Blomberg und ergreift Görings Hand. »Ich bin Ihnen zu tiefstem Dank verpflichtet.«
»Aber nein«, sagt Göring und legt Blomberg die Hand auf die Schulter. »Gar keine Ursache, Herr Reichskriegsminister. Wirklich, überhaupt keine Ursache.«
»Liebchen. Ich habe eine Überraschung für dich. Göring hat mit dem Führer gesprochen. Wir können heiraten.«
Der erhoffte Schrei der Freude. Sie fliegt ihm um den Hals.
»Und rate, wer unsere Trauzeugen sein sollen. Nicht nur Göring. Der Führer persönlich. Blomberg, hat der Führer zu mir gesagt, mein Los ist es, allein mit Deutschland verheiratet zu sein. Aber von Ihnen ist das nicht verlangt. Folgen Sie Ihrem Herzen, verzichten Sie nicht auf Ihr Glück. – Jetzt feiern wir erst einmal ganz unbeschwert Weihnachten. Und gleich danach wird geheiratet, ganz privatim, ohne großes Aufsehen.«
Aber warum eigentlich? Was soll diese Heimlichtuerei? Warum verzichten sie auf das Bad in der Menge, warum erscheinen keine Beilagen in den Tageszeitungen?
Margarethe Gruhn ist kein ganz unbeschriebenes Blatt.Das hat sie ihrem Blomberg schon längst gestanden. Der wiederum hat durchaus versucht, Göring gegenüber das Problem anzudeuten. Was kann er denn dafür, wenn Göring ihn nicht verstanden hat?
Nach dem Trauakt beglückwünscht Hitler das junge Paar, dann reicht Göring dem Kriegsminister die Hand.
»Nun haben Sie ja erst einmal Zeit, sich ganz auf Ihr neues Glück zu konzentrieren. Wohin geht denn die Hochzeitsreise?«
Das erste Ziel ist Leipzig, wo es einem Zeitungsfotografen gelingt, vor dem Affenkäfig im Zoo endlich ein Bild der beiden Jungvermählten zu schießen. Die Berliner Prostituierten erkennen die Kollegin, die Sache spricht sich herum und kommt schließlich einem Kriminalkommissar zu Ohren. Der findet in Margarethes polizeilicher Meldekarte einen Hinweis auf die Akte 1932. Er informiert den Chef der Sicherheitspolizei Werner Best, und der begibt sich sogleich zum Berliner Polizeipräsidenten Helldorff.
»Ach. Zeigen Sie mal her. Erstaunliche kleine Bildchen. Ja, sehr hübsch. Ein leckeres Mädel. Und auch noch in landschaftlich reizvoller Umgebung fotografiert.«
»Aber dass Blomberg sich so bereitwillig ins Unglück stürzt.«
»Nun ja. Er weiß vielleicht gar nichts von diesen Meisterwerken. Man muss ihn dringend informieren. Es hat ja nun schon Kreise gezogen.«
Aber Blomberg ist nicht zu erreichen, er ist auf Hochzeitsreise. Helldorff meldet die Angelegenheit also dem Chef des Wehrmachtamtes Keitel, der vorschlägt, doch erst einmal Göring aufzusuchen und ihn zu fragen, ob die Dame auf den Bildchen überhaupt Frau von Blomberg ist.»Unverfroren!«
Wiedemann duckt sich. Fritz Wiedemann, persönlicher Adjutant des Führers: Er hat den Chef selten so toben hören. Dabei kennt Wiedemann Hitler schon lange. Hitler war im Weltkrieg Meldegänger beim bayerischen Infanterieregiment 16 und dort Wiedemanns Untergebener.
»Das ist unerhört. Das ist eine unerhörte Unverschämtheit.«
Der Schreibtisch liegt voll mit den Fotos von Frau von Blomberg.
»Unverfrorene Unverschämtheit! Ich werde mir das nicht bieten lassen!«
Göring tanzt begeistert um den Führer herum. Er ringt die fetten Hände.
»Es ist eine Katastrophe. Es ist entsetzlich. Und ich habe mich für den Mann eingesetzt! Aber nun ist er verloren. Dies bricht ihm das Genick. Der Mann muss zurücktreten. Er muss sofort von allen Ämtern zurücktreten.«
Aber genau das passt Hitler ja gar nicht. Er würde seinen Kriegsminister viel lieber behalten. Blomberg ist Hitler vollkommen ergeben. Hitler ist der unabänderlichen Ansicht, dass Blomberg Kurt von
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