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Wer wir sind

Wer wir sind

Titel: Wer wir sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Friedrich
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Schleicher daran gehindert hat, Hitler 1933 in letzter Minute die Macht vor der Nase wegzuschnappen. Auch nach der Beseitigung Schleichers im Zuge des Röhm-Putschs hat Blomberg unerschütterlich zu Hitler gestanden. Und nicht zuletzt hat er die schöne Idee mit dem persönlichen Treue-Eid auf den Führer gehabt, den jeder Soldat der Reichswehr leisten muss.
    Aber es hilft alles nichts. Hitler muss sich von Blomberg trennen: Darauf drängt Göring, der sich begreiflicherweise sehr über Blombergs Genörgel an seinem Wirtschaftsplan geärgert hat. Und er würde gern selbst Kriegsminister. DerBeauftragte für den Vierjahresplan, Oberbefehlshaber der Luftwaffe, Präsident des Preußischen Staatsrates, Reichsluftfahrtminister, Reichsforst- und Reichsjägermeister Hermann Göring findet Ämter und Titel einfach unwiderstehlich.
    Hitler ordnet schließlich an, Blomberg auf Weltreise zu schicken, versehen mit einer größeren Summe aus der Staatskasse. Da nützt es nun auch nichts mehr, dass Blomberg bereut, dass er sich zur Scheidung bereiterklärt. Aus Italien treffen flehende Briefe ein: Werner von Blomberg möchte heimkehren, er möchte wieder beim Führer sein. Aber es ist zu spät. In manchen Dingen ist auch der Führer nicht frei in seinen Entscheidungen.
    Das Offizierskorps weint Blomberg ohnehin keine Träne nach. Der Gummilöwe war hier nie hoch angesehen, im Gegensatz zum Oberbefehlshaber des Heeres, Generaloberst Werner Freiherr von Fritsch, der von Rechts wegen Blombergs Nachfolger als Oberbefehlshaber der Wehrmacht ist.
    Fritsch erfreut sich unter den Offizieren allgemeiner Wertschätzung. Die folgende Schmierenkomödie wird entsprechend unfreundlich aufgenommen. Otto Schmidt ist aber auch ein unappetitliches Bürschlein.
    Er ist ein Zuhälter und Erpresser, und die Prellung über dem rechten Auge macht ihn nicht sympathischer. Nicht dass er für Letztere etwas kann. Schmidt sitzt zurzeit in einem der berüchtigten Moorlager im Emsland ein. Er ist durchaus geneigt, mit den entscheidenden Stellen zusammenzuarbeiten. Er hat sich der Polizei schon früher als Informant zur Verfügung gestellt.
    »Hören Sie, Schmidt. Sie haben da 1936 diese Geschichte erzählt. Hinter dem Bahnhof Potsdamer Platz wollen Sie 1933 einen hohen Offizier bei homosexuellen Aktivitäten mit demBayern-Seppl beobachtet haben. Sie haben damals zugegeben, den Mann mehrere Monate lang erpresst zu haben.«
    »Jawohl, Herr Kriminalinspektor.«
    »Der Offizier hieß Fritsch. Ist das richtig?«
    »Jawohl, Herr Kriminalinspektor.«
    »Würden Sie den Mann wiedererkennen?«
    »Ja. Ja, bestimmt. Ich denke schon.«
    Ein Foto wird über den Tisch gereicht.
    »War es dieser Mann?«
    »Nein. Doch, ja. Ich weiß nicht. Ich bin nicht sicher.«
    »Schmidt. Dies ist Fritsch. Oder nicht.«
    Was die Befürworter verschärfter Vernehmungen immer wieder verdrängen, ist, dass man aus Angst auch lügen kann.
    »Ja. Ja, er war es. Jetzt erkenne ich ihn auch. Er war es ganz sicher. Er war der mit dem Bayern-Seppl.«
    »Wir haben den Bayern-Seppl festgenommen. Wir haben ihm ein Foto von Fritsch gezeigt. Aber er hat Fritsch nicht erkannt.«
    »Das kann nicht wahr sein.«
    »Schmidt hat gesagt, er hat Fritsch nach Lichterfelde zu seiner Wohnung begleitet. Fritsch hat aber nie in Lichterfelde gewohnt. Es ist eine Verwechslung. Der 175er ist in Wirklichkeit ein Rittmeister Frisch. Wir haben ihn vernommen. Er hat alles zugegeben.«
    Werner Best, SS-Standartenführer und Chef der Sicherheitspolizei, erhebt sich.
    »Ich gehe zu Polizeipräsident Helldorf. In was für einen Schlamassel sind wir denn hier wieder hineingeraten. Das darf vorerst nicht an die Öffentlichkeit gelangen.«
    Generaloberst Werner von Fritsch steht in der Bibliothek der Reichskanzlei. Ihm schwindelt. Ihm ist übel. Er glaubt sich einerOhnmacht nahe. Er hat die ganze Nacht nicht geschlafen. Er hat sich nicht einmal hingelegt. Die ganze Nacht lang ist er stöhnend auf und ab gegangen, auf und ab: Oberst Hoßbach hat ihm gestern hintertragen, dass man Fritsch ein Vergehen nach Paragraph 175 vorwerfen will. Seitdem fühlt sich Fritsch wie mit Kot beschmiert. Die ganze Nacht hat er sich vorgestellt, wie er die Sache richtigstellen, sich von der Beschmutzung reinigen werde. Er hat versucht, den Schweinehund zu erraten, der ihn derart beworfen hat. Er hat in Rachefantasien geschwelgt. Und nun steht Fritsch Hitler und Göring gegenüber, und bei ihnen ist ein schmieriger kleiner Widerling, den Fritsch noch

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