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Wer wir sind

Wer wir sind

Titel: Wer wir sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Friedrich
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Donnern des ersten Schreis, in der Ferne. Mildred und Arvid beginnen zu kämpfen. Sie kämpfen gegen den Strom an, der sie aber unaufhaltsam weiterzieht, das Donnern kommt näher. Dann ist der Orkan über ihnen. Der Schrei brandet auf, brandet auf, brandet auf, wieder und wieder, da steht er, im Wagen.
    Er kommt auf sie zu. Arvid kämpft. Er ringt. Mildred ringt an seiner Seite. Aber sie kommen nicht heraus. Es ist zu spät. Die Welle reißt sie mit: die Flut derer, die sich die Seelen aus den Leibern schreien, der Weg hinter Mildred hat sich geschlossen. Mildred und Arvid können nicht mehr zurück. Sie müssen nun ausharren, bis alles vorbei ist.
    Aber wissen die Harnacks denn gar nichts von den ermutigenden Plänen, die im weiteren Kreis der Professorenfamilien geschmiedetwerden? Wissen sie nicht, dass Hans von Dohnanyi in ebendiesem Herbst 1938 zusammen mit Offizieren aus dem Heeresnachrichtendienst, der Abteilung Abwehr, in Vorbereitungen für einen Staatsstreich verwickelt ist?
    Wohl kaum. Die familiären und freundschaftlichen Bande zwischen Hans von Dohnanyi und Arvid Harnack sind schließlich nur locker geknüpft. Hans von Dohnanyi hat Arvid ebenso wenig in die Pläne um General Beck und Abwehroffizier Hans Oster eingeweiht wie Arvid ihn in seine Beziehungen zu den Russen.
    Und wie steht es mit dem schillernden Bekannten der Harnacks, Ernst von Salomon, oder dem ehemaligen Arplan-Mitglied Klaus Mehnert? Der Frontkämpfer, Journalist, Buchautor und Abwehr-Offizier Friedrich Wilhelm Heinz hat schließlich mit Salomon zur Terrororganisation Consul gehört, und mit Klaus Mehnert hat er eine Weile für die Monatsschrift ›Buch und Gewehr‹ geschrieben.
    Aber Heinz hat Salomon nicht aufgefordert, sich an dem Putsch zu beteiligen. Und Mehnert ist ohnehin schon längst weg.

4
    Es ist Sommer 1937. Klaus Mehnert wechselt gerade von der Universität Berkeley an die Universität Honolulu, wo man ihm eine Professur für neuere Geschichte und Politikwissenschaft angeboten hat. Mildred zeigt ihrer Nichte Jane Deutschland. Greta Lorke bereitet ihre Hochzeit mit Adam Kuckhoff vor. Und die beiden Offiziere Friedrich Wilhelm Heinz und Hans Oster sitzen in Hans Osters Büro in der Abwehr am Tirpitzufer und besprechen die schöne Idee, die Friedrich Wilhelm Heinz gerade gehabt hat.
    »Ich denke, wir sollten sie alle ins KZ schicken«, sagt Heinz zu Hans Oster. »Alle höheren Wehrmachtsoffiziere. Das wäre doch mal ein nützlicher Ausflug für sie. Eicke könnte sie selbst herumführen. Der KZ-Inspekteur und Führer der SS-Wachverbände Theodor Eicke, kennen Sie ihn?«
    »Ich bin ihm persönlich bisher nicht begegnet«, sagt Oster. »Er soll kein angenehmer Mensch sein.«
    »Er ist ein Haufen Dreck. Er bildet im KZ Dachau persönlich die Aufseher für alle Lager aus. Und angeblich hat er Röhm umgebracht. Das ist nur ein Gerücht, aber man traut es ihm natürlich zu. Nicht dass es mir um Röhm leidtäte.«
    Heinz ist selbst früher einmal Mitglied der NSDAP gewesen. Von Hitler hat er allerdings nie viel gehalten: Friedrich Wilhelm Heinz war Anhänger des linken Flügels der Partei um die Brüder Gregor und Otto Strasser. Wie sie hat er den Kampf gegen den Kapitalismus ernster genommen als die Herumreiterei auf dem Antisemitismus. Biologische Unterschiedlichkeit der Rassen? Nun ja. Wahrscheinlich ist es doch eher so, dass die psychischen Unterschiede zwischen Juden und Nichtjuden für die offensichtlichen physiologischen Differenzen verantwortlich sind, was die Judenfrage als Rassenfrage zwar nicht erledigt, aber doch zu einer Problematik dritter Ordnung herabstuft. Friedrich Wilhelm Heinz persönlich ist allenfalls die übermächtige Konkurrenz des jüdischen Literatenpacks auf die Nerven gegangen, wobei man allerdings auch hier einsehen muss, dass Salomons ›Die Geächteten‹ Heinz’ ›Sprengstoff‹ wahrscheinlich viel mehr Leser gestohlen hat als die gehirnlichen Zergliederungen und Ergüsse irgendwelcher mottenzerfressener Intellektueller, ob nun jüdisch oder nicht.
    Tatsache ist jedenfalls, dass Friedrich Wilhelm Heinz als Autor nicht sonderlich reüssiert hat. Und auch mit der politischen Karriere hat es nicht geklappt. Heinz ist noch vor der Machtergreifung gegen seinen Willen aus der NSDAP ausgeschlossen worden. Kurz darauf ist Otto Strasser freiwillig aus der Partei ausgetreten. Unterstützt von Kapitän Ehrhardt, hat er seine Kampfgemeinschaft Revolutionärer Nationalsozialisten gegründet. Aber die Leute, auf

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