Wer zuerst kommt, küsst zuerst
sie aufgewachsen war.
Hätte sie nicht diesen Hunger auf Sex verspürt, hätte sie sich fast davon überzeugen können, dass nichts von all dem geschehen war. Dass sie nicht wirklich, wenn schon nicht ihre Seele, dann zumindest ihren Körper für zwei Millionen Dollar an Cruz Rodriguez verkauft hatte.
„Das ist der Preis, wenn man Geschäfte machen will“, murmelte sie.
Genau das hatte ihr Vater ihr beigebracht. Um zu bekommen, was man wollte, musste man bereit sein, einen angemessenen Preis zu zahlen.
Solange es nicht mehr war als nur ihre Zeit und ihr Körper. Solange sie immer gut aufpasste, dass es niemals ihr Herz war.
Die Hauptniederlassung von Cruz Control lag zwischen Dallas und Forth Worth auf einem vier Hektar großen Grundstück, das Cruz problemlos für das Zehnfache des ursprünglichen Kaufpreises hätte verkaufen können. Ständig klopften Bauunternehmer an seine Tür. Er hörte ihnen zu und warf sie dann raus. Er war steinreich und nicht auf Geld angewiesen. Aber er genoss es, etwas zu besitzen, was alle anderen haben wollten.
Hinter dem fünfstöckigen Gebäude lag die Autowerkstatt, von der er als Kind immer geträumt hatte. Aus den anfänglich fünf Hebebühnen waren mit der Zeit zwanzig geworden. Hinter der Werkstatt befanden sich eine Teststrecke sowie einabgetrennter Bereich für Versuchsautos. Die Luft war vom permanenten Surren der Motoren erfüllt. Das hier war sein liebster Ort auf der ganzen Welt.
Er blieb in der Werkstatt stehen, um zu begutachten, was er gebaut hatte. Manchmal vergaß er, wo er herkam, aber an diesem Morgen schien die Vergangenheit besonders nah und lebendig – als bräuchte er nur die Hand auszustrecken, um den wütenden zwölfjährigen Jungen, der er einst gewesen war, zu berühren. Den Jungen, der geschworen hatte, dass er mehr wollte, als nur zu überleben und irgendwie über die Runden zu kommen. Dass er groß rauskäme und man ihm überall Respekt entgegenbrächte.
Jemand rief seinen Namen. Manny, sein Werkstattmanager und bester Freund, winkte ihn zu sich.
„Die Bremsen sind hinüber“, sagte Manny mit einer Grimasse. „Die Fahrzeugkonstruktion ist eine Katastrophe. Ich muss sie noch mal überarbeiten, es sei denn, du willst es selber machen.“
„Heute nicht.“ Cruz war zu unruhig, um sich mit Konstruktionen zu beschäftigen. Eine derartige Kleinarbeit verlangte nach Konzentration, und er konnte seine Gedanken einfach nicht kontrollieren.
So sehr er in den letzten Jahren auch an den Erfolg geglaubt, nach ihm gestrebt und sich dafür den Hintern aufgerissen hatte – mit fünfzehn oder auch zwanzig hatte er sich so etwas wie das hier nicht vorstellen können.
Er hatte klein angefangen – mit gerade mal vierzehn Jahren war er in einem gestohlenen Corolla ein Rennen gegen einen Ford Ranger gefahren. Der Preis: die Fahrzeugpapiere. Alle hatten ihn ausgelacht, als er in dem weißen Corolla aufgetaucht war. Ob er wirklich glaubte, damit gewinnen zu können? Natürlich ahnten sie nicht, dass er den Typen am Ende der Straße monatelang beim Herumschrauben an dem Autobeobachtet hatte. Der Eigentümer hatte einen Turbolader mit erhöhter Kompressionsrate eingebaut.
Cruz war bewusst langsam gefahren, sodass niemand ahnen konnte, was sich unter der Haube versteckte. Er gewann spielend, und der Ford Ranger gehörte ihm. Glücklicherweise hatte der andere Fahrer die Wahrheit über die Besitzverhältnisse gesagt, und die Fahrzeugpapiere, ohne die man an so einem Autorennen nicht teilnehmen durfte, waren echt – im Gegensatz zu Cruz’ Papieren.
Er hatte den Corolla später in der Nacht zurückgebracht und war mit dem Pick-up zur Arbeit gefahren. Zwei Wochen später war er zurück gewesen. Er war Rennen gefahren, um zu gewinnen, und er hatte oft gewonnen.
„… stimmt die Übersetzung noch nicht“, sagte Manny gerade. „Hörst du mir eigentlich zu?“
Cruz zuckte die Schultern. „Nein, entschuldige.“
Manny war zehn Jahre älter und stets der klügere und kühlere Kopf von beiden. Nun sah er ihn fragend an. „Was ist los mit dir?“
„Ich bin mit Lexi Titan verlobt.“
Manny packte ihn am Arm und zerrte ihn in sein kleines Büro.
„Was?“, sagte er eindringlich. „Sag mir bitte, dass du Witze machst. Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?“
„Keine Panik. Wir haben eine Abmachung. Sonst nichts.“ Er erzählte ihm von Lexis Notlage. „Ich bekomme, was ich schon immer haben wollte.“
Manny starrte ihn an. „Du hast doch schon
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