Wer zuerst kommt, küsst zuerst
„Es hat sich also nichts geändert.“
„Was für Dinge?“
„Wie ich zu meinem Geld gekommen bin.“
„Immerhin wusste sie von deinen Autorennen.“
Er sah sie an, dann wieder auf die Straße. „Das war aber auch das Einzige. Mit zwölf bin ich Mitglied in einer Gang geworden. Ich machte Botengänge und stand bei Überfällen Schmiere. Dafür bekam ich Geld. Ich habe es gespart, bis ich genug hatte, um mir eine Waffe zu kaufen.“
Sie riss die Augen auf. „Im Ernst?“
„Es gab da etwas, worauf ich aufpassen musste. Frag nicht, was. Als die Sache erledigt war, habe ich es geschafft, aus der Gang auszusteigen. Ich habe so getan, als wäre ich zu jung und zu ängstlich, um bei den richtig üblen Sachen mitzumachen. Dann fing ich mit den Autorennen an. Irgendwann nahm ich das Geld, das ich für die gewonnenen Autos bekommen hatte, und investierte es in legale Geschäfte. Autoteile, Handelsunternehmen. Ich habe einen Partner, der für mich die Geschäfte abwickelt. Manny. Wir kennen uns schon, seit wir Kinder waren. Wir sind in derselben Straße aufgewachsen.“
Sie hatte gewusst, dass seine Vergangenheit auch gefährliche Zeiten beinhaltete – sie hatte nur nicht gewusst, wie schlimm es wirklich gewesen war. „Du hast einen langen Weg hinter dir.“
„Ich hatte Ziele und keine Angst, dafür zu arbeiten. Ich tat, was getan werden musste.“
„Hast du die High School abgeschlossen?“
Er lächelte. „Oh ja. Dafür hat meine Mom gesorgt. Sie ist klein, aber entschlossen. Ihretwegen war ich immer vorsichtig. Ich hatte keine Angst vor dem Gefängnis, aber zu riskieren, dass sie sauer auf mich war? Auf keinen Fall.“
„Aber du warst im Gefängnis.“
„Ein paar Mal. Aber nicht mehr nach meinem achtzehnten Geburtstag. Die Akten sind alle geschlossen.“ Er sah wieder zu ihr rüber. „Überdenkst du unseren Deal jetzt noch mal?“
„Nein. Ich bin kein bisschen überrascht.“
„Weil du wusstest, dass ich böse war.“
„Du bist ja vieles, Cruz, aber bestimmt nicht böse.“
„Da irrst du dich, Lexi. Ich kann so böse sein, das kannst du dir gar nicht vorstellen.“
So wohlbehütet, wie sie in Titanville unter dem Schutz ihres Vaters aufgewachsen war, mochte das sogar stimmen.
„Gibt es noch mehr Geister aus der Vergangenheit, von denen ich wissen sollte?“
„Nein. Hast du denn irgendwelche dunklen Geheimnisse?“, konterte er.
Wenn sie doch nur welche hätte … „Leider nein. Mein Leben ist genau so, wie du es dir vorstellst.“
Langweilig.
Sie wusste nicht, woher das Wort kam. Auf einmal war es da.
Ich bin nicht langweilig, sagte sie sich. Ich führe ein gutes Leben. Meine Arbeit, meine Schwestern … Aber niemand Besonderes. Sie hatte schon immer eine Familie gewollt, hatte sich verlieben wollen. Einmal wäre es fast soweit gewesen. Mit Andrew. Letztlich hatte es in einer Katastrophe geendet.
„Woran denkst du?“, fragte Cruz.
„Ach, an nichts Besonderes.“
Lexi betrat ihr ehemaliges Kinderzimmer. Ihre beiden Schwestern waren schon da. Skye trug ein kurzes grünes Cocktailkleid, das ihre sinnlichen Kurven betonte. Das rot gelockte Haar fiel ihr über die Schultern. Eine Perlenkette zierte ihren Hals.
Beim Anblick von Skyes Schönheit sabberten die Männer wie Hunde an der Fleischtheke. Lexi hätte schwöre können, dass sie den einen oder anderen schon hecheln gehört hatte. Skye war eine irdische Göttin. Lexi hingegen wurde immermit einer Eisprinzessin verglichen – kalt, unerreichbar und fern. Ein Gegensatz, über den sie sich nie gefreut hatte.
Jedes Mal, wenn sie zufällig Männergespräche über sie beide mitbekam, verspürte sie den Drang, den Männern klarzumachen, dass auch sie warm und sexy sein konnte. Sie war sich ganz sicher. Aber auf die Unterhaltung, die einer solchen Bemerkung zwangsläufig folgen würde, konnte sie gut verzichten – zumal sie sich nicht sicher war, ob sie als Siegerin daraus hervorgehen würde.
„Wenigstens blute ich nicht“, sagte Izzy fröhlich, als sie aus dem Badezimmer kam. Sie sah Lexi und lächelte. „Du hast dich verlobt und mir nichts davon erzählt?“
Lexi lachte und ging auf sie zu. „Und jetzt bist du am Boden zerstört, stimmt’s?“
Izzy, die nur einen Tanga und einen trägerlosen BH trug, umarmte sie innig. „Mehr als das. Du siehst gut aus. Erzählt mir von dem Mann. Ist er heiß? Ich hoffe, dass er heiß ist.“
Lexi machte einen Schritt zurück. „Er ist heiß.“
„Das sagst du“, erwiderte Izzy.
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