Wer zweimal stirbt, ist laenger tot
schon während der ganzen Vorlesung aus deinem Mund.«
»Na und, wen stört’s?« Ich spuckte Kern, Stiel und zerkaute Kirschreste in meine Hand. »Konzentriert euch mal, Leute!« Ihhhh. Ein unbeteiligter Beobachter könnte meinen, ich hielte ein Blutgerinnsel in der hohlen Hand. »Irgendwo muss doch ein Papierkorb …« Ich entdeckte ihn und warf das Gerinnsel hinein. Die Kirsche, meine ich. »Und wir sollten uns endlich mal was ausdenken, was wir den anderen sagen wollen.«
»Nein, Majestät.« Endlich konnte Tina mich wieder anschauen. Eine Erleichterung für uns beide.
»Was?« Ein Nein hörte ich von Tina nicht allzu oft.
»Nein, du kannst mit ihnen nicht darüber sprechen«, sagte Sink Leer. Beide nickten heftig. Es war erschreckend.
»Äh … was?«
»Es geht eben nicht.« Er hob seine breiten Schultern, die gerade jetzt wieder besonders sexy wirkten. Sinclair trug eigentlich ständig Anzüge und hatte sich heute Abend für einen dunklen entschieden. »Sie sind gute Freunde und uns treu ergeben, doch sie sind nun mal Menschen. Es gibt Dinge, die sie nicht verstehen können. Niemals. Du hast mich immer wieder gefragt, worin der Sinn liegt, Königin zu sein … dies ist eine Gelegenheit, es zu verstehen.«
»Du … meinst also …« Vorsicht. Das könnte eine Falle sein! Obwohl mir nicht einfallen wollte, welche. »… dass du mir helfen wirst, Marc wieder zum Leben zu erwecken, aber ich soll es weder Jess noch Nick …«
»›Dick‹ in diesem neuen Zeitstrom, Majestät.«
»… egal … noch Antonia oder Garrett mitteilen, obwohl die doch wirklich schräg genug drauf sind?«
»Antonia ist keine von uns.« Autsch. Da Tina immerhin in einem Befreiungskrieg gekämpft hatte, war ich ein wenig erstaunt über dieses harsche Urteil aus ihrem Mund. »Garrett schon, obwohl er natürlich … anders ist.« Gelinde ausgedrückt. Hm, vielleicht wäre Tina die geeignete Person, unsere dringend benötigte Liste zu führen. Ich beschloss also, ihr nicht unter die Nase zu reiben, dass sie mir bis vor wenigen Monaten noch in den Ohren gelegen hatte, Garrett zu töten. Es war schon interessant, wie rasch Tina bereit war, Leute aus ihrem Leben zu kicken.
Das sollte ich besser nie vergessen.
Sie standen auf meiner Seite. Doch die anderen sollten nichts erfahren, und deshalb empfahlen sie mir, die Marc-Kreatur vorerst nicht mehr zu erwähnen. Ich sollte ihn erst wieder erwähnen, wenn wir einen Plan ersonnen hatten oder, noch besser, den Plan bereits in die Tat umgesetzt hatten. Dann konnten wir ihnen den wiederauferstandenen Marc als ein fait accompli präsentieren.
Nicht, dass sie diese Vorgehensweise vorschlugen, erschreckte mich, sondern eher, dass es wie eine ziemlich gute Idee klang. Also beschloss ich, die Marc-Frage ruhen zu lassen.
Vorerst.
8
Zum dritten Mal in anderthalb Stunden stolperte ich über ein Hindernis und wäre fast mit dem Kopf voran die Speichertreppe hinuntergesegelt. Fluchend hielt ich mich am Geländer fest und brachte mich wieder in die Senkrechte, bevor ich nachschaute, was mich da beinahe umgebracht hätte. Ein Schemel! Wer stellte denn einen Schemel auf die Treppe? Wer muss sich denn auf der Treppe auf einen Schemel setzen?
Die blöde Jessica mit ihrem blöden Nestbautrieb, wer sonst? Nick/Dick hatte es mir erklärt. Der Nestbautrieb ist dieses schräge sinistre Verhalten von schwangeren Frauen, die spüren, dass ihr riesiger Bauch nun bald das Kind in die Welt entlassen wird. Abhängig von der jeweiligen Frau (und der Unheiligkeit des Babys, schätze ich) kann dieser Trieb alle möglichen Formen annehmen: vom Aufräumen des Gewürzregals bis zum Herumwühlen in jedem Zimmer einer alten Villa und der Lagerung von Gegenständen in Korridoren und Treppenhäusern, um besagtes Zeug fortzuwerfen oder aufzuheben oder in die Luft zu sprengen.
Und ich war diejenige, die immer wieder über das Zeug stolperte! Vampir-Superkräfte wie ein hervorragendes Sehvermögen nützten mir überhaupt nichts, wenn ich nicht auf meine Umgebung achtete. Was meistens der Fall war. Ich hatte nämlich zu vieles zu bedenken. Meine Gedanken kreisten hauptsächlich um Tina und Sinclair, die sich begeistert meinem Vorschlag, Marc wiederzuerwecken, angeschlossen hatten, während sie gleichzeitig warnten: »Psst! Lass die Menschen und die Wirrköpfe aus der Sache raus, denn dies ist unser ungeheuerlich geheimes Vampirgeheimnis.« Ich hatte keine Ahnung, was ich davon halten sollte, und das war das Erschreckendste,
Weitere Kostenlose Bücher