Wer zweimal stirbt, ist laenger tot
es reicht!« Ich schob den Eisbeutel fort. »Das ist sowieso in einer halben Stunde alles verheilt … abgesehen von den Frostbeulen, die du meinem armen Gesicht zufügst!«
»Sie hat ganz schön fest zugeschlagen«, stellte Marc das Offensichtliche fest.
»Wem sagst du das! Für eine, die derzeit für acht frisst, bewegt sie sich enorm fix.« Ich war so überrascht, als ich sie aufspringen, ihren Stuhl packen und ihn schwingen sah, dass ich das Ducken vollkommen vergaß. Ein Stuhlbein war heftig über meine Schläfe geschrammt. Manche Menschen sehen Sterne, wenn sie einen Schlag auf den Kopf erhalten haben. Ich sah fünf Jessicas, die Stühle schwangen und mich anschrien. Das Beängstigendste, was mir je passiert ist.
Und dann wurde ein Eisbeutel auf mein Gesicht gepresst, und Jessica wurde von dem erschrockenen und gleichwohl stolzen Nick/Dick aus der Küche geschoben.
»Sie hat deine Enthüllung nicht eben gut aufgenommen«, bemerkte Sinclair.
»Ich weiß. Müssen wir eigentlich alle das Offensichtliche konstatieren? Ich kann’s ihr aber nicht übel nehmen.« Ich rieb mir die Schläfe. »War wirklich dumm, dass mir das Geheimnis entschlüpft ist.«
»Ja«, sagten Tina und Sinclair.
»Und vielen Dank auch, dass ihr mich beschützt habt!«, fauchte ich sie an. »Immerhin hat sie nicht versucht, mich zu pfählen, nicht wahr?«
»Ich hab nicht den leisesten Wunsch, Jessica in ihrem derzeitigen Zustand in die Quere zu kommen«, erklärte Tina, und Sinclair nickte so heftig, dass ich befürchtete, ihm würde schwindlig werden.
»Sie ist in letzter Zeit wirklich Furcht einflößend«, gab er zu. Dann streifte er mit den Fingern leicht meine Beule und lächelte dazu. Gegen meinen Willen spürte ich, wie mein Zorn dahinschmolz. Verdammt! Manchmal fragte ich mich ernsthaft, ob Sinclair nicht ein Hexenmeister war. »Und du scheinst den Hieb ja gut überstanden zu haben.«
»Ja, so gerade eben. Marc, nimm endlich den Eisbeutel weg! Du bist nicht mehr Arzt.« Ups. Wie taktlos. »Lass es mich anders ausdrücken«, begann ich, wobei mir bewusst war, dass diese Redewendung eine schwangere Millionärin, die dringend einer Pediküre bedurfte, auch nicht davon abgehalten hatte, mir einen Stuhl auf den Schädel zu schmettern. »Ich wollte sagen, du hast doch jetzt wichtigere Dinge zu bedenken.«
»Ich bin also rechtlich gesehen tot«, sinnierte Marc. Er hatte den Eisbeutel fortgenommen und sich wieder an den Tisch gesetzt. »Was bedeutet das? Ist meine Sozialversicherungskarte noch gültig? Ist meine ärztliche Approbation annulliert oder widerrufen worden? Was ist mit meinem Führerschein?«
»Diese Fragen haben mich auch beschäftigt, nachdem ich zum ersten Mal gestorben war.«
»Und – was ist passiert?«
»Oh … nichts. Dann kam diese Königin-Sache, und ich musste mir keine Gedanken mehr darum machen.«
»Gedanken worum machen?« Antonia war zu uns gestoßen, Garrett im Schlepptau. Sie hatten keine Wollknäuel oder Stricknadeln oder sonstige Handarbeitsutensilien dabei, sahen aber frisch und erholt aus. »Worüber beschwert sich das Vampir-Nähkränzchen denn heute?«
»A-ha! Ihr habt es in dem Löffel getrieben, gebt’s zu!«
»Klar«, meinte Antonia schulterzuckend. Das schwarze Haar hatte sie zu einem unordentlichen Pferdeschwanz zurückgebunden, was für Antonias Verhältnisse einem schicken Chignon verdammt nahe kam. »Was geht’s dich an? Bist du nicht tot?«
»Ich bin ein Vampir, also technisch gesehen …«
»Nicht du, Schwachsinnige.« Sie zeigte auf Marc. »Er.«
»Hi«, grüßte er. »Ich bin wieder da.«
Antonia trat mit bebenden Nüstern näher. »Du bist tot«, erklärte sie in einem Ton, als schimpfte sie ihn aus, weil er Milch aus dem Karton getrunken hatte.
»Ja-ha.« Marc grinste und legte wieder seinen lahmen Witz auf: »Aber ich hab mich erholt. Die Zeit ist ein Rad.«
»Was? Das hast du doch vorhin schon mal gesagt«, fiel mir ein.
»Was habe ich gesagt?«
»Das, was du gerade gesagt hast.«
»Wovon redest du?«
Bevor ich Marc antworten konnte, zog Antonia alle Aufmerksamkeit auf sich. Sie schlich um ihn herum und schnüffelte wie ein Hund, der Witterung aufgenommen hat. Im Grunde war sie als Werwölfin ja auch eine Art Hund. »Du bist kein Vampir … nicht so wesenlos wie die drei da.«
»Wesenlos? Wie außerordentlich nett, Antonia! Bloß weil wir keine Gestaltwandler und Propheten sind, die …«
»Ich meine doch bloß, dass Vampire keinen Geruch haben, du Dummtusse.
Weitere Kostenlose Bücher