Wer zweimal stirbt, ist laenger tot
maisblonder Farbe ohne den geringsten Spliss. Augen so blau wie ein wolkenloser Frühlingshimmel an einem strahlenden Frühlingstag … Es sei denn, sie hatte einen schlechten Tag. Dann wurden ihre Augen giftgrün, und ihr Haar nahm einen tiefroten Ton an. Also war Laura wunderschön und gleichzeitig böse, was ja nur eine Spielart von wunderschön ist. Außerdem besaß sie, wenn sie sich in der Hölle aufhielt, riesige wunderschöne braune Flügel. Mithin war sie die schönste, umwerfendste Frau, die jemals auf Erden gewandelt ist.
Aber dergestalt sind eben die Herausforderungen, mit denen eine Vampirkönigin zurechtkommen muss. Als mein Ehemann und ich (und Puppi und Struppi) das kleine Farmhaus betraten, stellten wir fest, dass der Antichrist schwarze Leggings trug, ein Sweatshirt von St. Olaf (verrückt, da ich angenommen hatte, sie studiere an der Uni von Minnesota), schmutzige Turnschuhe (wir befanden uns auf einer Welpenfarm, also ließ ich es durchgehen) und eine alte Winterjacke ihres Adoptivvaters. Das Haar hatte sie zu einem unordentlichen Pferdeschwanz zurückgebunden, und sie war erschreckend blass, selbst für eine Blondine aus Minnesota. Und natürlich wunderschön, was sonst? Das war der Beweis! Der Beweis für ihre finsteren übernatürlichen Kräfte: Keine Frau auf der Welt kann mit strubbeligen Haaren und im Sweatshirt hinreißend aussehen!
»Wisst ihr, wessen Haus das ist?«
Ach ja, danke, und selbst? Aber ich spielte mit – Sinclair hatte meinen Vorrat an zickigen Entgegnungen fürs Erste erschöpft. »Das Haus von einem Labrador-Liebhaber?«
»Es ist das Haus von Jon Delk.«
Ich überlegte, woher mir der Name bekannt vorkam. Meine Schwester verstand es mit der Zeit immer besser, meine verständnislose Miene zu deuten, denn sie fuhr geduldig fort: »Von den Blade Warriors?«
Ich schnaubte verächtlich. Der Jon Delk also. Vor ein paar Jahren hatte er mit einigen anderen Spinnern seinen eigenen Vampirkiller-Klub gegründet, mit dem unerlässlichen Priester als Teamleiter und einem geheimnisvollen Sponsor, der sich am Ende als Schuft erwiesen hatte. (Gähn.) Sinclair und ich hatten mit Erfolg dafür gesorgt, dass sich der armselige Klub auflöste und sich in Zukunft anständig verhielt, und nachdem der Schuft ordentlich verprügelt worden war, hatten alle ihr vorheriges Leben wieder aufgenommen.
Jon hatte sich irgendwie in mich vergafft … (Ja, ich weiß, es geht wie immer nur um mich, aber es stimmte, er hatte sich wirklich verguckt. Ich kann nichts dafür, wenn Männer mich unwiderstehlich finden.) Was auch der Grund war, warum er Sinclair nicht ausstehen konnte (heute Abend konnte ich durchaus die Logik dahinter erkennen).
Leider hatte ich Jon-Boy meine Memoiren diktiert, die er umgehend einem Verleger verkaufte. Doch zuvor hatte Sinclair mittels seelischer Folter dafür gesorgt, dass Jon vergaß, dass es meine Geschichte war. Und schon bald hasste er mich. Und meinen Ehemann (was ich heutzutage sehr gut verstehe). Und ich konnte es ihm nicht übel nehmen. Dieses ganze Chaos hätte vermieden werden können, und es war ganz allein meine Schuld.
Im alten Zeitstrom allerdings hatte Jon Delk auf der Farm seiner Großeltern gewohnt. Die auch wirklich eine Farm war und in North Dakota lag, vierzehn Stunden Fahrt von der Villa entfernt. Jon hatte beileibe nicht auf einer Welpenfarm im Dunstkreis der Twin Cities gehaust.
»Fällt dir nichts Ungewöhnliches auf?«, erkundigte sich der Antichrist.
»Du meinst die Tatsache, dass er Vampire jetzt mag?«, vermutete ich mit einem Blick auf die vielen Dracula-Poster, unzähligen Stapel Vampirbücher, diversen Actionfiguren mit Fangzähnen … Es war, als wäre man im Keller der geheimen Lüste von eBay gefangen.
»Nein, das meine ich nicht, heutzutage mag doch jeder Vampire. In diesem Zeitstrom hat Jon deine Lebensgeschichte aufgeschrieben, und sie ist zu einem Megaseller geworden, der eine Flut von Büchern über moderne, exzentrische, selbstsüchtige …«
»Hey!«
»… sorry … angesagte Vampire ausgelöst hat. Woraus dann Filme entstanden sind. Und Fernsehserien. Vampire sind schwer angesagt, Betsy. Und Jon Delk hat es in Gang gebracht. Zumindest glaubt er das. Dabei warst du es. Du hast das alles in Gang gesetzt. Deine dämliche Lebensgeschichte ist dafür verantwortlich.«
»Okay.« Ich sah mich erneut in dem Wohnzimmer um. Nichts deutete darauf hin, dass Jon hier mit seiner Familie lebte. Nein, dies war die schmierige Lasterhöhle
Weitere Kostenlose Bücher