Wer zweimal stirbt, ist laenger tot
Toten? Das passt so was von gar nicht zu mir! Zunächst einmal, warum sollte ich auf Menschenhaut schreiben? Hatte der Schreibwarenladen etwa geschlossen? Und ich schreibe es in der Zukunft … Soll es da mit einem Mal keine Kreditkarten und kein Papier mehr geben?«
»Du hast mich überzeugt.«
»Und was passiert ist, tut mir leid.«
»Die Ereignisse der Gegenwart – und der Zukunft – haben wohl unseren Blickwinkel ein wenig verändert«, erwiderte sie leise lächelnd.
»Laura hat dir alles erzählt?«
»Ja. Sie wollte gerade gehen, als ich runterkam. Da hat sie mich eingeweiht.«
»Das war … hilfreich.«
»Na klar. Sie ist schließlich deine Schwester.«
»Und der Antichrist.«
»Und deine Schwester«, wiederholte Jess geduldig. »Du weißt doch, dass sie dich liebt, auch wenn sie Vampiren gegenüber Vorbehalte hat.«
»In letzter Zeit sehe ich sie ziemlich selten. Sie verbringt sehr viel Zeit in der Hölle. Und womöglich an schlimmeren Orten … Sie ist nicht wie wir, Jess.«
»Du bist nicht wie wir, Bets.« Sie lächelte, während sie es sagte.
»Okay, da hast du wohl recht.« Über die Ansichten mancher Mitbewohner konnte ich mich immer wieder aufregen, doch es hatte jetzt keinen Sinn zu streiten. »Wo aber treibt sie sich herum, wenn sie nicht hier ist? Und wo genau liegt eigentlich die Hölle? Wenn Laura teleportiert oder sich beamt oder was auch immer sie macht – und es gelingt ihr mit jedem Mal besser –, wohin reist sie dann wohl?«
»In das Unbekannte.«
»Wie, das Unbekannte? Das war’s, Spock? Ist das alles, was dir dazu einfällt?«
»Betsy, was willst du denn von mir hören? Manche Dinge sind einfach nicht zu erklären oder zu verstehen. Die Hölle ist nun einmal da, wo sie ist? Satan tut, was sie tut, weil es nun mal in ihrer Natur liegt. Laura kann durch Raum und Zeit reisen und hat manchmal Flügel und manchmal nicht und kann Waffen aus Höllenfeuer herbeiwünschen, die niemand berühren kann außer dir, und für all das gibt es keine logische Erklärung.«
»Beknackt.«
»Stell eine Liste auf und frag Gott, wenn du ihn zufällig triffst!«
»Oh, die Liste hab ich schon«, brummte ich. »Ich habe eine Menge Fragen an diesen ewig abwesenden göttlichen Vermieter.«
»Frag doch einfach Laura! Ich wette, von ihr würdest du Antworten kriegen.«
»Irgendwie hab ich Angst davor.«
»Aha! Aber mir stellst du Fragen, weil du nicht sicher bist, ob du die Antworten hören willst. Also, das finde ich ziemlich beknackt.« Sie verdrehte die Augen.
»Ja, ja … hör mal, weißt du, wo Marc steckt? Ich muss dringend mit ihm reden.«
»Hast wohl schon einen Plan in der Hinterhand, was?« Sie klang beeindruckt. »Gut. Ähm, ich weiß aber nicht, wo er ist. Ich bin ihm ein bisschen aus dem Weg gegangen, weil ich bei seinem Anblick Gänsehaut bekomme.«
»Jessica.« Selten kriegte ich einen vorwurfsvollen Ton hin, darin war ich schon zu Lebzeiten ein hoffnungsloser Fall gewesen und nun als Vampirkönigin erst recht. Dieses Mal jedoch gelang es mir. »Das ist doch nicht seine Schuld. Im Grunde ist es die Schuld der älteren Betsy.«
»Denkst du, ich wüsste das nicht? Ich hab’s ja alles heute Morgen erfahren. Ich habe auch nicht behauptet, dass es seine Schuld ist. Aber überleg doch mal: Ich werde ein Kind bekommen! Ein zartes, köstliches Baby. Welcher Zombie könnte da wohl widerstehen?«
»So ein Zombie ist er nicht«, entgegnete ich genervt. Wenigstens nicht, solange noch genügend tote Katzen aufzutreiben waren. Oder die ›Schau genau‹-Seite in der People (»Finden Sie die Unterscheide in den beiden Bildern!«) Und nicht zu vergessen das Kreuzworträtsel in der New York Times.
»Mädchen, ich will nun mal kein Risiko eingehen. Dickie denkt da anders, er hat mit Marc ein vertrauliches Gespräch unter Männern geführt, doch nur um rauszukriegen, wie er ihn kontrollieren kann. Einmal Cop, immer Cop, stimmt’s?«
»Nenn ihn doch nicht ›Dickie‹. Ist ja ekelhaft.«
»Das ist nun mal sein Name, blöde Kuh!« Jess sagte es absolut freundlich. Und kam wie stets damit durch. Sie war der einzige Mensch auf der Welt, der mir die schlimmsten, wahrsten Dinge ins Gesicht sagen konnte, ohne dass ich ausflippte … meistens jedenfalls. Vielleicht war das ihre Superkraft. Das und reich zu sein. Und einen gewaltigen Bauch zu haben.
»Na, ist ja auch egal. Jedenfalls muss ich jetzt Marc suchen. Dank dir noch mal. Oh – du hast eine Gurkenscheibe fallen lassen.« Ich hob sie auf
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