Wer zweimal stirbt, ist laenger tot
du bist uns armen Sterblichen so haushoch überlegen, dass wir niemals, niemals verstehen können, wie großartig du im Grunde bist.« Ich lachte. »Wow, ich muss echt an mich halten, um nicht loszuplatzen.«
»Ich mag dich eigentlich lieber, wenn du nicht so viel denkst.«
Darauf kannst du einen lassen. Übrigens hat noch nie jemand die Unverschämtheit besessen, mir so etwas ins Gesicht zu sagen.
»Er hat auch zu viel gedacht, abgesehen vom Ende, als er es ablehnte, selbstständig zu denken.« Satan starrte gedankenverloren über meine Schulter. Ich hatte sie erst ein- oder zweimal in diesem Zustand erlebt, der mich stets erschütterte und sogar dazu führte, dass sie mir ein wenig leidtat.
Was ich verabscheute.
»Bist du dir bewusst, dass du laut mit dir selbst sprichst?«
»Dummer Junge, oh, dieser dumme, dumme Junge!«, brummte der Teufel.
»Oooch … komm mir nicht schon wieder mit Jesus!« Kennen Sie das Phänomen, wenn manche Leute mit sich selbst reden? Nun, Satan pflegte zu Jesus zu sprechen. Zu dem »Jungen«, den sie nicht hatte retten können. Der einzige Fehler, den Satan bedauerte, wie sie freimütig zugab. Nicht die Tatsache, sich gegen Gott gewandt zu haben. Nicht die Tatsache, den halben Himmel zur Meuterei angestiftet zu haben. Nicht die mannigfachen Anstiftungen, damit die Menschen sich ihren schlimmsten Ängsten und Begierden, Zorn, Hass und Mord hingaben. Das war für Satan lediglich normaler Büroalltag.
Aber er. Der »Junge«. Das mit Jesus bedauerte sie immer noch.
Ich seufzte und drehte mich auf meinem Stuhl herum, damit ich ihr in die Augen sehen konnte. »Ich hätte nie gedacht, dass ich mal so etwas sage, doch du solltest das endlich leichter nehmen. Freier Wille, ja? Den hat auch er besessen. Er wusste, was ihn erwartete, seit er ein kleiner Junge war, zumindest hab ich das irgendwann so gelernt. Und du hast dein Bestes gegeben und ihn in Versuchung geführt …«
»Ihn gewarnt!«
»Okay, okay, reg dich nur nicht künstlich auf. Du hast versucht, ihn zu warnen oder in Versuchung zu führen oder was auch immer, doch das hat nicht funktioniert, und sie haben ihn …«
»Sie haben ihn getötet. Wie eine streunende Katze, die halb tot in der Gosse liegt … schmutzige Kinder stochern an ihr herum, und nach drei Tagen gibt das arme Tier auf und stirbt. Er ist für euch unwürdige Idioten gestorben. Und zum Lohn hat er … nichts erhalten.« Jetzt strahlte sie richtige Hitze aus. Es war, als stünde man vor einem Ofen, in dem ein riesiger Braten verkohlte. Mit Bangen dachte ich an das viele alte Holz, das in der Villa verbaut war.
Satan wanderte im Zimmer auf und ab. Ein unruhiger, schreitender Ofen, dessen Hitze stärker oder schwächer wurde, je nachdem, wie weit sie von mir entfernt war. »Und ihr seid immer noch unwürdig. Die Menschheit hat es noch nicht mal geschafft, stubenrein zu werden. Ein acht Wochen alter Welpe weiß schon, dass man nicht dort scheißt, wo man isst. Ihr wisst noch nicht mal so viel wie ein Hundewelpe!«
Ich lehnte mich im Stuhl zurück und betrachtete sie. Entweder gewöhnte ich mich allmählich an diese Zusammenstöße, oder aber meine Schaltkreise für Angst brannten allmählich aus. Satan war normalerweise die Ruhe selbst. Doch ich hatte sie auch schon fuchsteufelswild erlebt. Ich hatte sie schon einmal zur Weißglut gebracht. Sie sogar verletzt. Doch nie konnte ich mir sicher sein, ob ich damit meinen oder ihren Plänen zuarbeitete.
Eines der (vielen, vielen, vielen, vielen) Dinge, die ich am Teufel hasste, war Folgendes: Man lebt so vor sich hin, kümmert sich um seinen eigenen Kram und hält das alles für den Teil eines größeren Plans. Erst, wenn es zu spät ist, findet man heraus, dass man im Grunde ihrem Plan gefolgt ist. Der immer schon der ihre war. Von Anbeginn der Zeit.
Man ist zwar bereit, den Karren zu ziehen, doch raten Sie mal, wer die ganze Zeit die Zügel in der Hand gehalten hat? Und Ihnen nie was von den Sporen erzählt hat, bis Sie sie in den Rippen spüren?
»Spielst du jetzt Cowboy, oder hegst du eine bislang unbekannte Sehnsucht, die Gehilfin des Lone Ranger zu werden?«
Ich blinzelte verwirrt. Vermutlich hatte ich sie fünf Minuten lang absolut blöde angestarrt. »Ach, kannst du neuerdings Gedanken lesen?«
»Eher Wünsche als Gedanken. Und die Antwort lautet: Ja. Gelegentlich. So schwer ist das gar nicht. Als Spezies seid ihr nicht sonderlich komplex.«
Und wieder einmal ließ sie dieses Überlegenheitsding
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