Wer zweimal stirbt, ist laenger tot
gar nicht erst wissen, he?«
»Nee.«
»Schön, ich lasse dich entkommen, aber nur, wenn du mir versprichst, mich nicht im Schlaf umzubringen.«
»Das werde ich ganz gewiss nicht tun.«
»Was? Mich töten? Oder es versprechen?«
Ich grinste ihn im Rückspiegel an. »Du kannst wählen … Richard.«
»Sexy und unheimlich. Der legendäre Doppel-K . o.«
»Mit so was kannst dich nicht wieder bei mir einschmeicheln. Es ist noch nicht vorbei«, drohte ich. »Womit ich sagen will, es ist vorbei.« Das meinte ich auch so. Denn wer hat schon die Kraft zu solchem Aufwand?
»Denk einfach in Zukunft daran, mich ›Richard‹ zu nennen, okay? Das ist doch nicht zu viel verlangt, oder?«
»Sagte der Polizeispitzel …«
»Polizeispitzel?«
»… der mich grundlos verhaftet hat! Halt den Mund und lass mich endlich raus!«
»Ich bin froh, dass du am Zeitstrom herumgepfuscht hast«, sagte er fröhlich. »Denn es gefällt mir, dich zu mögen.«
»Ich rede nicht mehr mit dir.«
Das meinte ich aber nicht ernst.
Denn mir gefiel es auch.
38
Das ist das Besondere an Minnesota, und es hat nichts mit der Kälte zu tun (die so schlimm ja gar nicht ist), oder mit der sprichwörtlichen Freundlichkeit der Menschen in Minnesota (eher eine Midwestern-Freundlichkeit, wie ich finde): Minnesota ist neu. Deshalb mag ich diese Stadt.
Ich meine, das ist doch total cool. Die Erde ist zig Millionen Jahre alt, Minnesota existiert aber erst seit … weniger als zweihundert Jahren! Ist das nicht irre?
Ich glaube nicht, dass wir hier in Minnesota viele Fehler haben, nur diesen einen: Wir haben kein Gefühl für Geschichte, kein Gefühl für Zeit. Stephen King hat einmal gesagt, Rom sei ein Knirps (oder meinte er vielleicht Griechenland?), und damals habe ich das seinem Drogenkonsum zugeschrieben. Jetzt aber habe ich es begriffen. Verglichen mit der Welt ist Rom (oder Griechenland?) ein Knirps. Aber im Vergleich dazu ist Minnesota ein Frühchen.
»Oh Vater, hilf deinem missratenen Kinde!«
Verärgert blickte ich auf. »Verdammt, Lena Olin, hast du noch nie gehört, dass man anklopft, bevor man ein Zimmer betritt? Und hast du nicht eine ganze Hölle zur Verfügung, wo du den dicken Max markieren kannst? Lass dir ja nicht einfallen, für mich zu beten! Da kriegt man ja ’ne Gänsehaut.«
»Ist das ein Blog? Bist du … Schreibst du etwa einen Blog?« Hm. Normalerweise hätte ich mich über das Entsetzen des Teufels gefreut, doch im Moment ärgerte ich mich nur über die Störung.
Nicht, dass ich etwas zu verbergen gehabt hätte. Es ist schließlich allgemein üblich, dass Könige ein Journal führen, nicht wahr? Denn die Dinge, die sie aufschreiben, besitzen eine Gültigkeit für Jahrhunderte. Deshalb versuchte auch ich mich in der Kunst des Tagebucheintrags. Denn wenn ich über Sachen schrieb, die ich mochte, würde ich vielleicht niemals das Buch der Toten schreiben, das voll von Dingen steckte, die ich nicht mochte.
Ich weiß, ich weiß … das war eben das Einzige, was mir bislang eingefallen war. Da es inzwischen nicht mehr angesagt war, tatenlos herumzusitzen.
»Das geht dich nichts an. Hast du nicht ein paar der Verdammten zu nerven?«
»Solltest du nicht bei einem Schuhschlussverkauf reinplatzen?«
Ich schnappte ob ihrer Unverschämtheit nach Luft. »Ich platze nie bei einem Schuhschlussverkauf rein! Das wäre, als … als spuckte man auf etwas, auf das man nicht spucken darf. Pass bloß auf, was du da sagst, du höhnischer McDevil!«
»Ich kriege schon richtig Angst.«
»Weißt du überhaupt, wie peinlich das ist, dass du wie ’ne alte Tante, die keine Freunde hat, bei uns rumhängst, bei meinen Freunden, die viel zu höflich sind, um der alten Tante zu verklickern, dass sie das nicht nur jämmerlich, sondern auch unheimlich finden?«
»Du weißt, ich bin ein Anhänger des freien Willens. Wobei ich mich selbst nicht ausschließe. Warum sollte ich nicht ›rumhängen‹ dürfen, wo es mir gefällt?«
»Weil es vielleicht furchtbar, furchtbar peinlich ist? Und bring mich nicht zum Lachen. Freier Wille! Ha! Du laberst echt nur Mist.«
»Ich darf dich darauf aufmerksam machen, dass manche Menschen mich wirklich fürchten. Und es nicht wagen würden, so mit mir zu reden.«
Furcht? Warum rührte sich da etwas in meinem Hinterkopf? Jemand hatte kürzlich etwas über die Furcht und den Teufel zu mir gesagt. Doch zu viel war in zu kurzer Zeit geschehen. Ich erinnerte mich einfach nicht.
Also: furchtlos weitermachen. »Du
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