Werde mein in Luxor
atmete tief durch, hob den Kopf und schaute auf die schroffen Felsen. Dann holte sie ein zweites Mal ganz langsam Luft und akzeptierte die Verantwortung. Das Gestein verschwamm vor ihren Augen, als ihr die Tränen kamen. Vielleicht war Ozr beim zweiten Mal ja nicht mehr ganz so schlimm.
Sie stand auf und ging nach unten in die Lounge, wo sie in einer Schublade Stift und Schreibblock entdeckte. Es dauerte eine Weile, bis sie die passenden Worte und den richtigen Tonfall gefunden hatte, doch als sie das Ergebnis ihrer Bemühungen sah, war sie zufrieden.
Sie lehnte sich in ihren Stuhl zurück und las:
An alle, die es betrifft.
Ich, Olivia Morse, wohnhaft in Pierceville, Alabama, USA, gestehe, Kokain von Marokko nach Jabal geschmuggelt zu haben. Ich habe in alleiniger Verantwortung gehandelt und wurde von niemandem zu der Tat angestiftet. Hiermit bekenne ich mich schuldig.
Dies ist ein freiwilliges Geständnis.
Olivia Anne Morse
Nachdem sie ihre Unterschrift daruntergesetzt hatte, faltete sie das Blatt zusammen und steckte es in einen Umschlag. Damit ging sie zu Khalids Kabine und schob den Umschlag unter seiner geschlossenen Tür durch.
Die nächsten Stunden vergingen quälend langsam. Liv blieb an Deck, weil sie hoffte, Khalid würde zum Mittagessen zurückkehren, aber er kam nicht. Und auch später ließ er sich nicht blicken.
Es wurde immer heißer, und gegen Nachmittag hielt Liv es nicht länger aus. Sie kehrte in ihre Kabine zurück, legte sich aufs Bett und starrte ins Leere.
Was mochte jetzt passieren?
Wie würde Khalid reagieren?
In banger Erwartung rollte sie sich zusammen. In ihrem Hals brannten Tränen.
Doch einfach so still dazuliegen, war keine gute Idee. Dabei wuchs ihre innere Anspannung noch. Die Wände ihrer Kabine schienen immer näher zu rücken. Sie saß in der Falle.
Aber es gab nichts, was sie im Moment tun konnte. Sie musste warten.
Irgendwann kam jemand und brachte das Abendessen. Als Liv das Tablett am Fußende des Betts sah, fühlte sie sich plötzlich wieder wie in Ozr. Dort hatte man ihr das Essen ebenfalls immer auf einem Tablett in die Zelle gebracht. Doch im Gefängnis hatte sie nur Wassersuppe oder eine Schale klebrigen Reis bekommen, während dieses Essen hier köstlich aussah und auch so duftete.
Trotzdem war unübersehbar, was es bedeutete, dass man ihr das Essen in die Kabine gebracht hatte: Khalid wollte sie nicht sehen. Er ging ihr aus dem Weg. Sie machte ihm keinen Vorwurf daraus. Sie konnte sich im Moment ja selbst kaum ertragen.
Als es eine halbe Stunde später an der Tür klopfte, hatte sie ihr Essen noch nicht einmal angerührt. Einen Moment später stürmte Khalid, sichtlich aufgebracht und mit ihrem Geständnis in der Hand, in die Kabine.
„Was zum Teufel soll das?“, fragte er und hielt ihr das Blatt vor.
Liv wich einen Schritt zurück. Das war nicht die Reaktion, die sie erwartet hatte. „Ich kann nicht anders. Ich will nicht dafür verantwortlich sein, dass Elsie eingesperrt wird. Andererseits will ich dein Land aber auch nicht an den Rand eines Krieges treiben. Deshalb habe ich keine Wahl. Du hast selbst gesagt, dass irgendetwas passieren muss. Jetzt habe ich gehandelt“, sprudelte sie heraus. „So ist allen geholfen, dir, deinem Bruder, deinem Land, Elsie …“
„Und was ist mit dir?“, fuhr er sie an. Er legte das Blatt auf einer Kommode ab und ging auf sie zu. „Was ist mit dir?“, wiederholte er grimmig und schüttelte sie heftig. Khalid war außer sich.
„Ich tue, was ich kann, um diese schlimme Situation in den Griff zu bekommen“, sagte sie erstickt.
„Willst du allen, die dir nahestehen, das Herz brechen?“ Seine Pupillen waren so groß, dass seine Augen fast schwarz wirkten.
„Was soll ich denn sonst machen?“
Seine Finger gruben sich in ihre Schultern. „Dir ist anscheinend nicht bewusst, wie sehr dich deine Familie liebt. Als ich vor zwei Wochen deinen Bruder informierte, dass du in Ozr warst, erklärte er sich sofort bereit, im Austausch für dich ins Gefängnis zu gehen. Er hat mich förmlich angefleht, mit der Regierung darüber zu verhandeln.“
Khalids Blick verschleierte sich. Er schüttelte den Kopf, immer noch mit den Händen auf ihren Schultern. „Es war ihm ernst damit. Als mir das klar wurde, wusste ich plötzlich ganz genau, was ich zu tun hatte. Ich verstand, dass ihr eine Familie seid, in der einer für den anderen einsteht. Und deshalb schwor ich mir, ihm seine kleine Schwester zurückzubringen, egal, was
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