Werden sie denn nie erwachsen?
ich wäre jetzt eine Komtesse mit Stammschloß am Rhein und Feriendomizil in Acapulco.«
»Da kommste aber mit einem Wohnmobil nicht hin! Also sei froh, daß der Graf eine andere geheiratet hat.«
Die Hunde hatten mittlerweile jeden Grashalm neben der kleinen Parkbucht beschnüffelt, fanden nichts Interessantes mehr, wollten zurück in den Wagen. Ich auch. Mir war kalt. Von sonnigem Maiwetter konnte überhaupt keine Rede sein.
Wenigstens in Genf schien die Sonne. Weshalb wir mitten durch die Stadt mußten, obwohl wir auch hätten drumherum fahren können, wurde mir erst klar, als Steffi einen Parkplatz ansteuerte. »Ich will endlich mal die Fontäne in natura sehen. Außerdem muß ich mir die Beine vertreten.«
Das war einsichtig. Die Hunde wollten nicht mit.
Großstadtgewühl mit hupenden Autos und unendlich vielen Beinen auf dem Gehsteig waren sie nicht gewöhnt.
Es half ihnen nichts, sie brauchten was Grünes, möglichst mit ein paar Büschen drauf. »Vergiß die Tüten nicht!« Die hatte Stefanie jedoch schon eingesteckt. Als pflichtbewußte Hundebesitzer hatten wir noch gestern den Automaten im Schloßpark mit unserem gesamten Kleingeld gefüttert, auf daß er in genügender Anzahl jene kleinen Päckchen spende, mit deren Inhalt man die anrüchigen Hinterlassenschaften der Vierbeiner beseitigen kann.
»Den See hatten wir im Rücken, also müssen wir in die Richtung«, kommandierte Steffi und marschierte los.
»Stimmt nicht, wir müssen halblinks gehen.«
Beides war falsch, aber das merkten wir erst, nachdem wir eine halbe Stunde lang herumgeirrt und endlich in einem Bistro gelandet waren, wo uns der Patron den rechten Weg wies. Danach brauchten wir nur noch drei Minuten und standen am See. Die Fontäne war abgestellt.
Auch sonst gab es nichts Sehenswertes außer unendlich vielen Fahnenmasten, an denen unendlich viele schlaffe Fahnen herabhingen. Außerdem fing es wieder an zu nieseln.
»Den Umweg hätten wir uns wirklich sparen können«, moserte Steffi. »Genf gefällt mir nicht. – Jojo, komm sofort vom Rasen runter, hast du die Schilder nicht gesehen?« Doch der hatte schon ein ihm genehmes Plätzchen gefunden. Wir brauchten zum erstenmal eine Tüte. Otto dagegen hinterließ die Spuren seines Besuchs auf dem Parkplatz. Kaum hatten wir unser Wohnmobil erreicht, da kroch er unter den Wagen und kam wenig später sichtlich erleichtert wieder hervor. »Wo soll er denn auch, hier gibt es ja nicht mal einen vermickerten Löwenzahnstengel, nicht wahr, Otto?« Otto wedelte Zustimmung.
»Wo müssen wir jetzt eigentlich hin?« Die ausgebreitete Karte auf dem Tisch, hockten wir auf den hochkant gestellten Campingliegen, was äußerst unbequem war, und suchten nach dem Weg.
»Ist doch ganz einfach. Immer Richtung Annecy und Aixles-Bains. Am besten bleiben wir auf der Autobahn.«
»Kommt überhaupt nicht in Frage«, wehrte Steffi ab.
»Ich will ein bißchen mehr von Frankreich sehen als Mautstellen und Notruf telefon. Wir fahren die Route nationale.« Sie faltete die Karte zusammen und arbeitete sich zum Führerhaus durch. »Kommst du noch an den Kühlschrank? Ich habe Durst.«
»Wenn du den roten Stuhl etwas nach hinten ziehst und die beiden Liegen festhältst, könnte es eventuell gehen.«
Es dauerte eine Weile, dann hatte ich es geschafft und reichte ihr die Coladose rüber.
»Auf die Dauer ist das keine Lösung, da müssen wir uns etwas anderes einfallen lassen«, sagt Steffi, als ich mich zu ihr durchgekämpft hatte. »Der Vorteil eines Wohnmobils besteht ja darin, daß man sich auch während der Fahrt ungehindert im Wohntrakt bewegen kann. Rein theoretisch könntest du ohne weiteres hinten sitzen und lesen, schlafen oder Kreuzworträtsel lösen.«
Die Praxis sah allerdings anders aus. Ich rutschte auf dem Beifahrersitz hin und her, vor mir die Karte, auf der Ablage Brille und Langenscheidts Taschenwörterbuch Französisch-Deutsch (wer lernt schon in der Schule, daß déviation Umleitung heißt) und neben mir eine lauthals schimpfende Stefanie, die alle übrigen Verkehrsteilnehmer abwechselnd verdächtigte, ihre Führerscheine bei der Fernsehlotterie gewonnen, in der Haferflockenpackung gefunden oder bei Neckermann bestellt zu haben.
Endlich hatten wir die Stadt hinter uns gelassen. »In höchstens anderthalb Stunden müßten wir in Annecy sein.« Sie trat abrupt auf die Bremse, weil ein Huhn über die Straße flatterte. »Könntest du eventuell ein ungerupftes Federvieh tafelfertig zubereiten?
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