Werden sie denn nie erwachsen?
Dann würde ich das nächste nämlich kaltblütig erlegen.« Zum Glück für das Huhn begegnete uns keins mehr. »In oder neben oder hinter Annecy ist ein See, da werden wir kampieren.«
»Weißt du denn, ob es dort einen Campingplatz gibt?«
»Määm, zum vierundsiebzigstenmal:
Wir brauchen keinen Campingplatz!!!
Ein Wohnmobil ist verkehrstechnisch gesehen ein Personenkraftwagen und darf überall dort stehen, wo auch ein Pkw parken kann.«
Die Franzosen sehen das aber ganz anders. Oder wie sonst ließen sich die vielen Schilder erklären, auf denen ein rot durchgestrichenes Wohnmobil abgebildet war?
Wir fanden sie überall, auf ganz normalen Parkplätzen neben den Straßen, vor Raststätten (da mußten wir immer ganz nach hinten zu den Omnibussen), sogar vor Supermärkten und an sämtlichen Aussichtspunkten. Ich sah gewisse Schwierigkeiten auf uns zukommen, und Steffi war auch kleinlauter geworden.
Annecy erreichten wir bei einbrechender Dunkelheit. Im Gegensatz zu deutschen Bundesstraßen sind die Routes nationales keineswegs immer gut ausgebaute Straßen, sondern teilweise Landstraßen zweiter Ordnung mit Engpässen, unübersichtlichen Kurven und sehr unterschiedlichem Belag. Manchmal ist auch gar keiner drauf, dann muß man ganz schnell die Fenster zumachen, sonst wird man eingepudert. Jedenfalls war Steffis Zeitrechnung mal wieder nicht aufgegangen.
Den See fanden wir auch nicht, statt dessen standen wir plötzlich vor einem kleinen Flugplatz, zu dem wir gar nicht gewollt hatten. In der Ferne schimmerten die Lichter eines Dorfes. »Da tuckern wir jetzt hin und suchen uns irgendwo am Rand einen Schlafplatz. Für heute habe ich die Schnauze voll vom Fahren!«
Auf der einen Seite hatte das Dorf ein Neubaugebiet mit halbfertigen Häusern, viertelfertigen Straßen und herumstehenden Baumaschinen, auf der anderen gab es niedliche kleine Häuschen mit niedlichen kleinen Gärtchen, und dahinter fing gleich wieder das freie Feld an. Links Weizen, rechts Hafer.
»Gibt es denn hier nicht mal einen Feldweg, auf dem wir parken können?« Im Schrittempo kroch der Wagen die Straße entlang, während ich mit einer Taschenlampe aus dem Seitenfenster funzelte. Kein Weg war zu sehen, nicht mal eine Treckerspur.
»Dreh einfach um und stell dich irgendwo in dieses Neubauviertel. Dagegen wird kaum jemand was einwenden können.«
»Und morgen weckt uns in aller Hergottsfrühe die Betonmischmaschine! Ohne mich! Ich brauche meine acht Stunden Schlaf, ganz besonders nach dieser Marathonfahrt.« Trotzdem wendete sie den Wagen, bog jedoch von der Hauptstraße ab und tastete sich am Marktplatz vorbei weiter in die Finsternis. »Ein Dorf hat immer vier Seiten, zwei kennen wir erst.« Noch einmal schwenkte sie nach rechts in einen holprigen Sandweg, dann trat sie erleichtert auf die Bremse. »Hier bleiben wir.«
Doch, das war ein sehr ansprechendes Plätzchen. Als ich die Tür öffnete, hörte ich ein Bächlein plätschern, und als ich ausgestiegen war, merkte ich, daß es gar kein Bächlein war, sondern Regentropfen, die sich in einer alten Zinkwanne sammelten. »Es regnet«, sagte ich überflüssigerweise.
»Hat aber gerade erst angefangen.« Steffi öffnete die hintere Tür, und sofort schossen die Hunde ins Freie.
»Wenigstens brauchen sie hier keine Tüte.« Unschlüssig betrachtete sie unsere Klappmöbel. »Wohin mit dem Krempel? Wenn wir das vor die Tür stellen, ist morgen alles klatschnaß.«
»Schieben wir’s doch einfach unter den Wagen.«
Das hielt sie für eine hervorragende Idee. Daß sie gar nicht so hervorragend gewesen war, merkten wir erst am nächsten Morgen, als wir die Sachen aus dem aufgeweichten Matsch klauben und zum erstenmal die Dusche benutzen mußten. Nicht für uns, nein, dazu reichte hinterher der Wasservorrat gar nicht mehr, sondern für das Campingmobilar. Wir hatten gerade noch genug zum Zähneputzen.
Das Ritual, ein fahrendes Wohnmobil abends in eine stehende Wohnung zu verwandeln, habe ich nie einwandfrei beherrschen gelernt. Ich habe auch nie begriffen, weshalb man während der Fahrt nicht kochen darf, obwohl das doch sehr praktisch wäre.
Glücklicherweise ist Stefanie technisch wesentlich talentierter als ich, denn schon nach vierzig Minuten hatten wir heißen Tee, während auf der zweiten Ramme bereits die deftige Kartoffelsuppe brodelte. Als Dessert gab es Himbeerjoghurt.
»Leben wie Gott in Frankreich! Genauso habe ich mir das immer vorgestellt.«
»Wir üben doch noch«, tröstete
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