Werden sie denn nie erwachsen?
packte seine Kartothek wieder zusammen und widmete sich dem Studium der Landkarte, auf der wir mit einem roten Stift die genaue Route nach Süden und mit blauer Farbe mögliche Nebenstraßen markiert hatten.
»Das sieht aus wie ’n Strickmuster. Was wollt ihr denn in Avignon? Etwa die halbe Brücke besichtigen?«
»Die auch, aber in erster Linie den Papstpalast.«
»In Frankreich? Ich denke, flying Paolo residiert in Rom?«
O heilige Einfalt! Nun sind meine Geschichtskenntnisse zwar etwas umfassender als die von Sven, aber so richtig sattelfest bin ich denn doch nicht, deshalb erschien mir ein genereller Themenwechsel angebracht.
»Könntest du mal im Keller nachsehen, ob man unseren Gartengrill zusammenklappen kann? Wenn nicht, müssen wir noch einen besorgen.« Grillfeuer scheinen zum Campingurlaub ebenso zu gehören wie Plastikgeschirr und Propangas. Ohnehin hatte Steffi sich schon alles zusammengeschnorrt, was auf platzsparende Weise transportiert werden konnte, also Klappstühle und Klapptisch, Klappfahrräder, zwei zusammenklappbare Liegen, von denen die eine bei der ersten Belastungsprobe kurz vor Marseille schon zusammenbrach, und nun brauchten wir noch einen Grill, weil der unsere ein etwas zu luxuriöses Modell war, mit dem wir nicht mal durch die Wohnmobiltür gekommen wären. Auf unserer Einkaufstour fanden wir auch einen, der zwölf Mark kostete und genauso lange hielt. Im übrigen lernte ich schon am dritten Tag unserer Reise, daß man am besten nichts Teures mitnimmt. Was nämlich nicht auf dem letzten Lagerplatz vergessen wird, geht kurze Zeit später sowieso kaputt. Campen, ob im Wohnmobil oder nur im Zelt, ist eine verlustreiche Angelegenheit.
Am nächsten Morgen räumte ich meinen Kofferraum leer, bestückte ihn mit Unmengen von leeren Körben und Tüten und fuhr mit Steffi zwanzig Kilometer weit zum Einkaufszentrum. Unterwegs versuchte sie ihr Stenogramm zu entziffern. Als Expertin für Tütensuppen und Fertiggerichte hatte Katja telefonische Ratschläge erteilt. Das hatte sich ungefähr so angehört: »Wenn ihr Ravioli mitnehmt, dann nur die von Maggi, das sind die besten. Papiersuppen dagegen von Knorr, die machen wenigstens satt, vor allem der deftige Kartoffeltopf. Die Frühlingssuppe ist auch gut. Von Fertigsoßen solltet ihr die mit den Tomaten drin einpacken, mit Orégano aufgepeppt sind sie genießbar. Überhaupt sind Gewürze das wichtigste, sag Mami, sie soll das ganze Regal mitnehmen, oder weiß sie vielleicht, was Salbei und Zwiebelsalz auf französisch heißt? Und denkt an Nudeln, die braucht man nicht zu schälen, frisches Baguette schmeckt aber viel besser, und vergeßt nicht Ottos Futternapf, der frißt doch aus nichts anderem.«
Der ganze Vormittag ging drauf, dann hatten wir genügend Vorräte eingekauft, um einen Tante-Emma-Laden zu bestücken. Sogar an Kaugummi hatte Steffi gedacht und an Tabletten gegen Durchfall. »Du tust gerade so, als gäbe es in Frankreich keine Geschäfte.«
»Frankreich ist teuer!« sagte sie nur, ein Satz, den sie in den kommenden Wochen mindestens zwanzigmal pro Tag von sich gab.
Dann kam das Wohnmobil. Es gehörte dem Bruder vom Schwager einer Freundin (oder so ähnlich), jedenfalls kannte Steffi den Eigentümer gar nicht persönlich, und ich wunderte mich mal wieder, mit welchem Vertrauen wildfremde Menschen meiner Tochter ihr Hab und Gut überließen. Im übrigen war dieses Gefährt außen größer, als ich geglaubt, und innen kleiner, als ich mir ausgemalt hatte. Die Tür befand sich hinten gleich neben dem Ende der Stoßstange, war reichlich schmal und ziemlich hoch über dem Boden. »Wir brauchen eine Fußbank«, sagte ich als erstes, bevor ich den Wagen enterte, »haben wir so etwas?«
Hatten wir nicht. Eine Nachbarin – es hatten sich schon deren mehrere zwecks Besichtigung der mobilen Wohnstatt eingefunden – konnte aushelfen.
Im Heck stand eine Spüle mit Unterschrank, daneben war eine kleine Arbeitsfläche befestigt. »Wo ist denn der Herd?«
Steffi klappte die Platte hoch und deutete auf das zweiflammige Gerät darunter. »Da isser doch.« Jetzt wußte ich wenigstens, warum die Prospekt-Oma die Kartoffeln am Tisch geschält hatte.
Gleich neben der »Küche«, nur durch eine widerborstige Tür getrennt, war das Bad installiert mit Chemietoilette, Waschbecken und einem dreieckigen Hängeschrank. »Wo ist die Dusche? Im Katalog hieß es doch: Bad mit Dusche.«
»Du stehst bereits drin!« sagte Steffi lakonisch.
Tatsächlich!
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