Werden sie denn nie erwachsen?
»Jetzt sollten wir irgendwo anhalten und aussteigen.«
»Haha«, machte Steffi nur, auf die unzähligen Verkehrsschilder deutend, die außer Geradeausfahren so ziemlich alles verboten. Verständlich, denn halb Europa schien sich hier versammelt zu haben. Autos mit Nummernschildern von Finnland bis Portugal krochen vor, hinter und neben uns die Straße entlang, holländische Wagen mit schaukelnden Anhängern, auf dem Dach drei Fahrräder und hinten drin Oma, Opa nebst Enkelkind oder auch mal vier übereinandergestapelte Koffer, die durch ihr Gewicht die Hinterachse fast auf den Boden drückten.
Dazwischen eine Selbstmordkandidatin auf dem Fahrrad mit drei Weißbroten unterm Arm.
»Versuch’s mal mit Beten«, schlug Steffi vor, »an dieser weihevollen Stätte liegt ein Wunder zumindest im Bereich des Möglichen.«
»Was soll ich?«
»Um einen Parkplatz beten.«
Obwohl ich dieses blasphemische Ansinnen weit von mir wies, geschah das Wunder. Auf der schmalen Grasnarbe, die den Fußweg von der Straße trennt, setzte sich ein Wohnwagen in Bewegung, und sofort steuerte Steffi den freiwerdenden Platz an. Die einbetonierten Parkverbotsschilder übersah sie genauso großzügig wie alle anderen Verkehrsteilnehmer, die dort ihre Autos abgestellt hatten. »Sollen sie uns doch ruhig ein Knöllchen verpassen. Nachher sind wir sowieso wieder weg, und Interpol wird wegen einer simplen Ordnungsstrafe bestimmt nicht bemüht.«
»Was ist, wenn sie gleich Bares kassieren?«
»Dann hast du eben Pech gehabt.«
Vor der Kultur gönnten wir uns und den Hunden einen Spaziergang entlang der Rhône. Obwohl immer ein halbgefüllter Trinknapf im Wohnmobil stand, der trotzdem bei jedem Bremsmanöver überschwappte, stürzte Otto sofort ans Wasser und vor lauter Eifer auch gleich hinein.»Otto, du bist ein Hund, kein Seehund!« brüllte Steffi hinterher. »Wenn der erst mal das Meer sieht, dreht er völlig durch. Laß ihn da bloß nie unbeaufsichtigt, Määm, der schwimmt sonst glatt bis Korsika.«
Jojo dagegen, der Wasser nur als Durstlöscher akzeptiert, obwohl ihm Bier wesentlich lieber wäre, stand einen halben Meter vom Ufer entfernt und jaulte seinem abtrünnigen Freund hinterher. Die ersten Passanten wurden aufmerksam und erwogen bereits Rettungsmaßnahmen, als Otto triefend an Land kletterte und der netten Dame, die ihm einen Keks entgegenhielt, vor lauter Freude an den hellblauen Rock sprang. Danach war sie gar nicht mehr so nett. Von ihrer Schimpfkanonade verstand ich kaum etwas, meine gestammelte Entschuldigung wollte sie nicht hören, und was Fleckenwasser auf französisch heißt, wußte ich sowieso nicht.
»Am besten bringen wir die Hunde zurück in den Wagen, sonst werden sie noch totgetreten.« Sie hatten auch gar nichts dagegen. Als Landhunde benehmen sie sich im Stadtverkehr ähnlich idiotisch wie Urwaldbewohner, die zum erstenmal in ihre Metropole kommen und der Meinung sind, Verkehrsampeln seien eine Art Zauber gegen die bösen Geister und Zebrastreifen eine städtische Variante der heimischen Höhlenmalerei.
Jojo wollte sich in selbstmörderischer Absicht vor einen Lkw stürzen, während Otto unter das erste geparkte Auto kroch und nur mit Gewalt wieder hervorgezerrt werden konnte. Im Wohnmobil verzogen sie sich sofort auf ihre Lieblingsplätze, nämlich vorne ins Führerhaus, und dort auf die Fußmatten. Steffi holte noch schnell meine Brille aus der »Küche«, und bevor sie die Tür schloß, ermahnte sie unsere beiden Vierbeiner: »Schön dableiben!«
Darauf neben mir eine Stimme: »Ick würde det aba lieba mit de Handbremse vasuchen.«
Die Hunde waren dem guten Mann entgangen, nicht jedoch Steffis Abschiedsworte zu dem scheinbar leeren Wagen. Über seinen Irrtum aufgeklärt, wurde er zutraulich. »Warten Sie etwa ooch uff wen, der da drin bei die toten Päpste rumlooft?« Mit einer Kopfbewegung deutete er zum Eingang des Palastes, vor dem sich die Menschenmenge in dicken Trauben zusammenballte.
»Erst wollte ick ja ooch mit rin, aba erstens is mir det zu voll, und zweetens is die nächste Führung in Deutsch erst wieda in zwee Stunden. Japanisch kann ick aba nich und Spanisch ooch nich. Außerdem war ick schon mal in Rom, det hat ma für mein kirchlichet Bedürfnis jereicht. Da jibt et wenigstens noch ’n lebendijen Papst. Bloß dajewesen isser nich.«
Es stellte sich heraus, daß Herr Malwitzki aus Berlin stammte, was ich schon nach den ersten Worten nicht bezweifelt hatte, und seit einer Woche mit Gattin
Weitere Kostenlose Bücher