Werden sie denn nie erwachsen?
und Wohnwagen auf dem Weg nach Port Grimaud war, wo er auf dem dortigen Campingplatz seinen alljährlich für Mai und Juni reservierten Stellplatz beziehen wollte. »Da isset noch nich so voll, aba schon scheen warm, und essen müssen wa zu Hause ooch.«
»Kann man um diese Zeit im Mittelmeer schon baden?«
wollte Steffi wissen.
»Können kann man, bloß Spaß macht’s noch keenen.
Fahr’n Se etwa ooch an die Küste?«
»Ja, aber in die Camargue.«
»Kenn ick. Is hübsch da, hat ooch ’n paar jute Campingplätze, bloß verdammt teuer.«
»Wie ist es, Määm, willst du jetzt tatsächlich in dieses Gemäuer rein und dich durchschieben lassen, oder wollen wir nicht doch lieber weiterfahren? Ich finde, von außen sieht es auch ganz beeindruckend aus.«
Eingedenk meiner Erfahrungen mit den vatikanischen Museen in Rom, durch die man ebenfalls im Eiltempo geschleust wird und eigentlich nur das richtig sehen kann, was an die Decken gemalt worden ist, verzichtete ich auf die Besichtigung des Papstpalastes und damit auch auf eine Bereicherung meiner Geschichtskenntnisse. Und auf die Brücke. Wir sahen sie von weitem, doch als Steffi sie durch das Fernrohr beäugte, meinte sie nur: »Die ist auch voller Touristen.«
Versehen mit guten Ratschlägen, von denen sich später nicht einer als brauchbar erwies, ließen wir Herrn Malwitzki weiter auf seine Frau warten und reihten uns wieder in den Verkehr ein. Er war wesentlich flüssiger geworden. Mittagszeit. Die Franzosen waren zwecks Einhaltung der geheiligten Siesta von den Straßen verschwunden, die Touristen saßen auf Klappstühlen, Mauervorsprüngen oder auf der blanken Erde, um sich herum ein Stilleben aus Thermoskannen, Kühltaschen, Babyfläschchen und belegten Broten.
»Das müssen alles Schwaben sein«, vermutete Steffi, »von zwölf bis eins wird gegessen.«
»Ich könnte jetzt aber auch was vertragen. Soll ich uns schnell eine Tütensuppe kochen?«
»Määm, wie oft soll ich dir noch sagen, daß der Herd während der Fahrt nicht benutzt werden darf. Und nicht kann, weil die Gaszufuhr geschlossen ist.«
»Nicht mal für ein ganz kleines Töpfchen Wasser?«
versuchte ich es erneut. »Ich hätte jetzt so gern einen Kaffee.«
»An der nächsten Bar halte ich an.«
»Brauchst du nicht, ich kann Café au lait nicht mehr sehen!«
Wenig später stoppte sie neben einer Imbißbude, vor der lauter Skandinavier saßen und Hochprozentiges in sich hineinkippten. Sie wollte Milch, die es nicht gab, dann Kakao, den es auch nicht gab, ich wollte Kaffee ohne Milch und kriegte Espresso, Würstchen waren aus, und nach Crêpes stand uns nicht der Sinn. Hungrig fuhren wir weiter.
»Wir müssen ja bald in Arles sein, da lade ich dich zum Essen ein.« Nicht Großmut war es, die mich zu dieser Zusage veranlaßte, sondern reiner Selbsterhaltungstrieb.
Wenn Stefanie nicht regelmäßig gefüttert wird, bekommt sie schlechte Laune, und wenn sie schlechte Laune hat, wird sie kratzbürstig. Das hat zur Folge, daß ich ebenfalls pampig werde, und das Ende ist dann ein zu intensiver Kontakt mit der Böschung oder einem Kilometerstein.
Beides hatten wir schon mal gehabt. Das ist zwar lange her, doch die Voraussetzungen dafür waren immer die gleichen gewesen: Hunger.
»Gibt es in Arles nicht auch eine Brücke?«
Himmel, fing sie denn schon wieder an?
»Höchstwahrscheinlich«, sagte ich patzig. »Zumindest glaube ich nicht, daß seine Bewohner die Rhône schwimmend überqueren.«
Sie kicherte. »Ich meine doch die berühmte Brücke von van Gogh.«
Ach so, mein Fehler. Aber so ist das nun mal mit der Bildung. Sie ist das, was übrigbleibt, wenn man alles vergessen hat. »Kaum anzunehmen, daß diese Brücke noch besichtigt werden kann. Immerhin ist van Gogh seit hundert Jahren tot. Vermutlich ist der Bach inzwischen kanalisiert, oder es steht schon längst eine Reihenhaussiedlung drauf. Aber ein van-Gogh-Museum gibt es, vielleicht sollten wir da mal rein.«
»Vorausgesetzt, wir finden es. Sag mir lieber, ob ich jetzt rechts oder links abbiegen soll?«
Wir hatten die Ausläufer von Arles erreicht. »Rechts!«
sagte ich zuversichtlich, denn ich hatte ein Schild mit der Aufschrift »Centre« gesehen und es logischerweise mit Zentrum, also Stadtmitte, übersetzt. Wenig später standen wir auf einem riesigen Einkaufsareal, und bis wir uns dort wieder rausgewurstelt hatten, war Kaffeezeit.
»Gleich fange ich an zu schreien!« knirschte Steffi mit zusammengebissenen Zähnen, als
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