Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Werden sie denn nie erwachsen?

Werden sie denn nie erwachsen?

Titel: Werden sie denn nie erwachsen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
Vom Netzwerk:
sind? Anscheinend ist das beim Campen ein unerläßliches Muß.«
    Wir kauften nicht nur eine orangefarbene Schüssel – andere Farben gab es nicht –, sondern deckten uns gleich mit neuen Vorräten und vor allem mit Geld ein. Tanken mußten wir auch. Das alles konnte man im fünfzehn Kilometer entfernten Einkaufszentrum erledigen, und zum erstenmal beneideten wir die Camper mit Wohnwagenanhänger, die ihr mobiles Heim einfach stehenlassen und mit dem Pkw wegfahren konnten. Wir dagegen mußten unseren Karren erst wieder transportsicher machen, bevor wir mit dem Ungetüm quer über den ganzen Platz und dann auf die Straße schaukeln konnten.
    Auf dem Rückweg klopfte ich vorsichtig ab, wie lange meine Tochter denn noch hierzubleiben gedächte. Wir hätten doch noch einiges vor.
    »Einen oder zwei Tage. Ich finde es ganz lustig. Du nicht?«
    Das wußte ich nicht so genau. Unterhaltsam war der Campingplatz zweifellos. Man lernte die verschiedensten Leute kennen, die gleich uns ihre Vierbeiner in dem gegenüberliegenden Wald frei laufenließen, und dort geschah es auch, daß sich Otto unsterblich in eine Colliehündin verliebte. Zusammen waren sie einem Eichhörnchen hinterhergepest, hatten nach erfolgloser Jagd gemeinsam das Fußbecken leergeschlabbert, und dann hatte Otto vor seiner neuen Freundin gesessen und sie herzerweichend angejault. Er jaulte noch um zehn Uhr abends und fing morgens um sechs wieder an. Ganze Arien sang er, bis ich ihn an die Leine nahm, auf daß er seine Angebetete begrüßen konnte. »Bring wenigstens frische Croissants mit«, knurrte Steffi, durch die Jaulerei aus dem Tiefschlaf geholt, »und wenn das Vieh nicht endlich seine Schnauze hält, koche ich heute abend kantonesisch.«
    Zwei Tage hielten wir es noch aus, hauptsächlich deshalb, weil uns ein nettes Krefelder Pärchen zu einer Spritztour in die weitere Umgebung einlud (die nähere hatten wir schon mit den Fahrrädern erkundet), doch dann wollte ich weg. Nach Genua war es noch ein weiter Weg.
    Waren wir bisher kaum negativ aufgefallen, so dürfte sich das in der letzten Stunde vor unserer Abfahrt grundlegend geändert haben. Otto hatte genau den Augenblick abgepaßt, als wir unser Freiluftmobiliar in den Wagen räumten und die Tür kurze Zeit offenstand. Er türmte und fegte quiekend und bellend zwischen Wohnwagen, Zelten, Autos, Gartenmöbeln und sonstigen Hindernissen quer über den Platz bis zum Heim seiner Angebeteten, fand das Zelt leer, schlug kurzerhand die Richtung zum Fußgängertunnel ein und ward nicht mehr gesehen. Jojo war ebenfalls entwischt. Nur stürmte er zum Meer in der Hoffnung, wieder einen vergammelten Fisch zu finden, wofür er eine uns unbegreifliche Vorliebe hatte.
    Steffi rannte also zum Wasser, ich japste mich durch den Tunnel. Keine Spur von Otto. Die paar Camper, denen Waldesrauschen lieber war als das sanfte Gluckern der Wellen, waren entweder noch gar nicht aus ihren Zelten hervorgekrochen, oder aber sie hatten nichts gesehen. Ich brüllte mir die Lunge aus dem Leib. Otto hörte nichts.
    Vielleicht wollte er ja auch nicht.
    »Wie alt ist denn der Kleine?« Endlich hatte ein Camper Mitleid mit mir.
    »Knapp zwei Jahre.«
    »Na, dann kann er doch noch nicht weit weggelaufen sein.« Er kratzte sich seinen kahlen, von einer dicken Cremeschicht bedeckten Schädel. »Wissen Sie genau, daß der Kleine hier drüben ist? Ein Kind wäre mir bestimmt aufgefallen.«
    »Wer redet denn von Kind? Otto ist ein Dackel.«
    Womit das Interesse des eingefetteten Herrn schlagartig nachließ. »Ach so, na ja, dann … Einen Hund habe ich aber auch nicht gesehen.«
    Inzwischen war Steffi herangekommen, den mürrischen Jojo hinter sich herzerrend. Sofort leinte sie ihn ab.
    »Auf, Jojo, such Otto!« Er preschte auch gleich los und verschwand zwischen den Bäumen.
    »Jetzt sind wenigstens beide weg!« Ich setzte mich auf einen Baumstumpf und durchsuchte meine Hosentaschen.
    »Hast du Zigaretten dabei?«
    Sie hatte. Nach der zweiten war von den Hunden noch immer nichts zu hören und erst recht nichts zu sehen.
    »Vielleicht ist der Wald größer, als wir glauben, und die beiden haben sich verlaufen.«
    »Unsinn. Otto ist zwar dämlich, aber sein Geruchssinn ist am besten von allem ausgeprägt. Eine tote Maus riecht der aus hundert Metern Entfernung. Also wird er doch noch seine eigene Spur finden.« Trotzdem wurde ich allmählich unruhig. »Na gut, gehen wir eben noch ein Stückchen weiter.«
    Das verhältnismäßig ebene Terrain

Weitere Kostenlose Bücher