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Werden sie denn nie erwachsen?

Werden sie denn nie erwachsen?

Titel: Werden sie denn nie erwachsen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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einer Sondierung des Terrains genutzt und dabei einen großen Parkplatz entdeckt, der zu einem weiter hinten liegenden Hotel gehörte. »Da stehen schon zwei Wohnmobile, also stellen wir uns einfach dazu. In Sichtweite der Polizei sind wir besser aufgehoben als sonstwo.«
    »Warum nicht? Im Zollgrenzbezirk habe ich noch nie übernachtet.«
    Sie rangierte den Wagen neben einen Kastanienbaum, und während auf dem Herd statt des Gulaschs die beiden letzten Tütensuppen kochten (ich konnte mich nicht erinnern, jemals Grünkernsuppe gekauft zu haben), lagen wir auf den Knien und schrubbten den Fußboden. Ganz sauber wurde er nicht, aber wenigstens klebte man nicht mehr darauf fest.
    Wir hatten uns gerade zu unserem frugalen Mahl niedergelassen, als wir ein fernes Grollen hörten. Im selben Augenblick fing das Besteck im Schubkasten zu klappern an, das Grollen wurde zum Donnern, die Hunde bekamen einen hysterischen Anfall, der ganze Wagen erzitterte, und dann verebbte der Krach allmählich, bis es wieder totenstill war.
    »Was ist denn
das
gewesen?« Steffi öffnete die Tür und schaute sich um. »Nichts zu sehen.«
    »Ich glaube, der Krach kam mehr von oben.«
    Gemeinsam stierten wir in die Dunkelheit. Ein dicht bewaldeter Berg, davor die Straße, auf der anderen Seite auch viel Grün – also was, zum Kuckuck, hatte diesen höllischen Lärm verursacht?
    Kaum hatten sich die Hunde halbwegs beruhigt, als dieses Grollen schon wieder einsetzte. Diesmal kam es von der anderen Seite. »Hört sich an wie Panzer. Es wird doch nicht etwa der nächste Krieg ausgebrochen sein, und wir wissen noch gar nichts davon?«
    Wir kamen gerade noch rechtzeitig nach draußen, um schräg über uns, kaum fünfzig Meter Luftlinie entfernt, einen hellerleuchteten Zug vorbeirattern zu sehen. Als er über die jetzt erst sichtbare Brücke fuhr, klirrten auf dem Tisch die leeren Teller.
    »Angenehme Nachtruhe. Wenn mich nicht alles täuscht, ist das die Strecke Genua-Marseille.«
    »Und wennschon«, sagte Steffi gähnend, »ich bin hundemüde. Nachts fahren bestimmt keine Züge mehr.«
    »Das glaubst auch nur du! Schon mal was von Gütertransporten gehört?«
    »Mir egal. Ich kann trotzdem schlafen.«
    »Aber ich nicht. Und erst recht nicht die Hunde.« Die saßen zitternd vorne im Führerhaus.
    Ich wollte gerade die Tür schließen, als ich Motorengeräusch hörte. »Sieh mal nach links, Steffi! Das eine Wohnmobil tritt bereits den Rückzug an. Denen da drin ist es auch zu laut.«
    Dafür tastete sich ein anderes Gefährt auf den Parkplatz, eins Marke Eigenbau. Ursprünglich mußte es ein Transporter gewesen sein, jetzt hatte es unterhalb des Dachs lauter niedrige Fenster, die alle offenstanden, damit die dahinter aufgehängte Wäsche im Fahrtwind trocknen konnte. Bindfäden mit Wimpeln dran sieht man ja öfter, doch eine Rundumbeflaggung mit Ringelsocken, Spitzenhöschen und baumwollenen Herrenslips war eine Novität. Daß dieser rollende Wäscheständer ein englisches Kennzeichen trug, wunderte uns gar nicht.
    Zwei Züge zählte ich noch, dann mußte ich wohl doch eingeschlafen sein. Wach wurde ich von einem fürchterlichen Krach, der jedoch anders klang als das nun schon wohlbekannte Rattern einer Eisenbahn. Die Lärmquelle mußte direkt neben uns sein.
    »Was ist
das
nun schon wieder«, schimpfte Steffi ein Stockwerk über mir. »Geh mal raus und sag den Idioten, daß andere Leute noch schlafen. Wie spät ist es überhaupt?«
    »Kurz nach sechs.« Ich schob die Jalousetten ein bißchen auseinander. »Es ist bloß die Müllabfuhr. Du hättest gestern nicht direkt neben den Containern parken sollen.«
    »Die hab’ ich gar nicht gesehen.«
    An Schlafen war nicht mehr zu denken. Kaum war das Müllauto weg, kam der Bäckerwagen zum Hotel, gefolgt vom Milchlieferanten. Der Nachtportier brüllte seinem Kollegen von der Tagesschicht einen Morgengruß quer über den Platz zu, und als dann noch der Frühzug über die eiserne Brücke donnerte, kapitulierte Steffi endgültig.
    »Porca miseria!« (Das ist ein italienisches Schimpfwort und braucht nicht übersetzt zu werden.) Während des Frühstücks klapperte das Geschirr nur zweimal, der dritte Zug kam erst, als wir gerade abfahren wollten. »Na, dann los«, sagte Steffi, den ersten Gang reinschiebend, »du mia bella Italia, Land der Zitronen und der Caprifischer, jetzt wird es sich ja zeigen, ob deine Schönheit auch bloß ein Produkt der deutschen Schnulzenbranche ist.«

16
    Bordighera, San Remo, Diano

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