Werden sie denn nie erwachsen?
war sogar noch der eine oder andere kleine Laden übriggeblieben, in dem ich stolz meine Sprachkenntnisse angebracht und jedesmal Lob eingeheimst hatte, weil ich prezzemolo richtig aussprechen konnte (das heißt Petersilie, und die gab es immer gratis). Aber dieses Loano hatte kein Flair mehr, war eine unpersönliche Stadt geworden, mit der mich nichts mehr verband. »Wenn es nach mir ginge, Steffi, würden wir jetzt hinten über die Autobahn zurückfahren nach Frankreich und uns dort abseits der Küste ein hübsches Plätzchen suchen, an dem wir noch ein paar Tage bleiben.«
»Gott sei Dank«, meinte sie aufatmend, »diesen Gedanken hatte ich schon gleich hinter San Remo, ich habe mich bloß nicht getraut, was zu sagen.«
Bis zur Grenze brauchten wir diesmal nur anderthalb Stunden, hatten also noch genug Zeit, uns mit neuen Vorräten einzudecken. »Welches Menü darf ich dir denn an deinem Geburtstag servieren?« Die Riesenkrabben in der Fischabteilung sahen zwar sehr appetitlich aus, doch Steffis Kochkenntnisse beschränken sich mehr auf solide Hausmannskost. Wer weiß, was sie mit diesem teuren Getier anstellen würde.
»Es wird überhaupt nicht gekocht, wir werden übermorgen ganz groß essen gehen.« Bevor sie protestieren konnte, fiel ich ihr ins Wort: »Nein, nicht aus der Reisekasse. Ich werde endlich mal meine neue Kreditkarte einweihen.«
In dieser Nacht störte uns nichts und niemand, und als ich von einer kalten Hundezunge geweckt wurde, die quer über mein Gesicht fuhr, war es fast neun Uhr. Zwei Stunden und schätzungsweise siebenunddreißig Haarnadelkurven später streikte Steffi. »Könnte es sein, daß du die Karte verkehrtherum hältst und wir uns auf dem direkten Weg nach Andorra befinden?«
»Nein. Wir sind auf der Route Napoléon. Hier ist schon Bonaparte mit seinen Mannen entlanggezogen.«
»Ja, auf ’m Pferd und nicht in einem Wohnmobil. Wenn die Straße noch steiler wird, komme ich nicht mehr rauf.«
»So schlimm kann es doch gar nicht sein, oder hast du nicht bemerkt, daß uns schon zwei Wohnwagen entgegengekommen sind?«
»Doch.« Und dann in einem Ton, wie man ihn gewöhnlich Kleinkindern gegenüber anschlägt: »Sie sind runtergefahren.«
Da sagte ich lieber nichts mehr und betete vor jeder neuen Kurve, sie möge endlich den Blick auf das Hochplateau freigeben, das wir uns als Ziel ausgeguckt hatten.
Ein See mußte da sein mit einem Campingplatz, und dort erhofften wir uns noch einige ruhige Tage, bevor wir uns auf die Heimreise machen wollten.
Vom See war noch immer nichts zu sehen, als endlich ein Ortsschild auftauchte: Moustiers Ste.-Marie, Stadt der Fayencen.
»Was sind Fayencen? Was zu essen?«
»Wenn dein Magen Keramikschüsseln verträgt … Komm, laß uns mal aussteigen, vielleicht finden wir etwas Hübsches.«
»Das meinst du doch wohl nicht im Ernst?« kam es entsetzt zurück.
»Warum denn nicht? Den Daheimgebliebenen müssen wir doch irgend etwas mitbringen.«
»Ach so«, meinte sie erleichtert, »du denkst an Souvenirs.«
»Woran denn sonst?«
Eine Antwort blieb sie schuldig.
Dieser Ort muß ebenfalls zu den Anlaufpunkten ausländischer Touristenbusse gehören. Überall standen die geparkten Ungetüme, spuckten ihre Fracht aus und sorgten für umsatzträchtiges Gedrängel. Kaum jemand, der uns entgegenkam und nicht eine Tüte oder ein in Zeitungspapier gewickeltes, unförmiges Paket vor sich hertrug. Auch wir beguckten elegisch dreinblickende Schäferinnen und handbemalte Aschenbecher, gar nicht zu reden von den Obstschalen, deren Dekor nicht den geringsten Zweifel an ihrer Bestimmung offenließen.
»Guck mal, Määm, die haben sich schon der Zeit angepaßt. Hier sind sogar Kiwis drauf.«
In einer Seitengasse entdeckte ich einen winzigen Laden.
Eine einzige, schon leicht angestaubte Blumenvase füllte das kleine Schaufenster fast völlig aus, und in genau die verliebte ich mich auf den ersten Blick. Noch niemals hatte ich ein so leuchtendes Blau gesehen.
»Wahrscheinlich ist sie unerschwinglich.«
»Frag doch einfach mal!«
Ganz so kostspielig, wie ich befürchtet hatte, war sie nicht, aber immer noch teuer genug. Lange zögerte ich, dann hatte ich eine Rechtfertigung gefunden. »Die schenke ich mir selber zum Geburtstag.«
»Tu das!« sagte Steffi sofort. »Und wenn wir sie nicht heil nach Hause kriegen, kannst du dir immer noch die einzelnen Scherben ins Regal stellen. Sie passen dann gut zu den zehn Zentimetern Berliner Mauer.«
Wir kauften noch
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