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Werden sie denn nie erwachsen?

Werden sie denn nie erwachsen?

Titel: Werden sie denn nie erwachsen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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kleines Wäldchen und waren nach zehn Minuten der festen Überzeugung, daß es zwischen dem Fahrer und mir irgendwelche Mißverständnisse gegeben haben mußte. »Wäre ja auch kein Wunder, bei deinem Englisch zieht’s mir immer die Schuhe aus.« Energisch tippte Katja dem Fahrer auf die Schulter. »Are you sure this is the right way to the port?«
    Er nickte. »Only two minutes.«
    Aus den zwei Minuten wurden dann ein paar mehr, aber schließlich kamen wir wieder auf eine geteerte Straße und stoppten vor einem endlos langen Schuppen. Irgendwo dahinter vermuteten wir das Meer, sehen konnten wir es nicht. Näher heranfahren dürfe er nicht, sagte der Fahrer, kassierte seinen Lohn, wendete und brauste unter Hinterlassung einer Staubwolke ab.
    Erst husteten wir ein bißchen, danach wischten wir uns den Sand aus dem Gesicht, und dann sagte Nicki das, was wir alle dachten: »Keine Ahnung, wo wir sind, aber ganz bestimmt nicht da, wo wir hinwollten. Die QUII ist doch kein Ausflugsdampfer, die müßte man doch sehen können!«
    »Jetzt gehen wir erst mal bis zum Ende dieser Baracke, vielleicht sind wir dann klüger. Rechts oder links?« Wir standen genau in der Mitte.
    »Links«, entschied Katja und lag ausnahmsweise mal richtig. Als wir nämlich um die Ecke bogen, blieben wir wie angewurzelt stehen. Direkt vor uns, nur getrennt durch eine Art Kanal, lag ein Riesenschiff, mindestens zehn Stockwerke hoch und ein paar hundert Meter lang. Ein Schornstein von der Größe eines Einfamilienhauses ragte in den blauen Himmel.
    »Menschenskind, ist das ein Pott!« flüsterte Nicki ehrfurchtsvoll. »So groß habe ich mir den Kahn wirklich nicht vorgestellt.«
    Ich auch nicht, und deshalb ahnte ich bereits gewisse Schwierigkeiten, Sascha in dieser schwimmenden Kleinstadt überhaupt ausfindig zu machen.
    Mehrere transportable Brücken führten über den Kanal.
    Wir wählten die erste und standen nun direkt neben dem Bug des Schiffes. Das Heck konnten wir schon gar nicht mehr ausmachen.
    »Wie geht’s denn jetzt weiter?« Fragend sah mich Katja an.
    Das wußte ich auch nicht. »Irgendwo wird es ja einen Einstieg geben. Vermutlich da hinten bei dem größten Gewimmel.«
    Auf dem Kai herrschte ein unbeschreibliches Durcheinander. Ungefähr ein Dutzend Safariwagen standen hintereinander aufgereiht, daneben, davor und dazwischen Lastwagen, vollgepackt mit Obst und Gemüse, Kühltransporter schoben sich zentimeterweise vorwärts, und zwischen all den quietschenden und hupenden Autos wuselten Fußgänger: Passagiere, Händler, Behördenmenschen mit Schlips und Aktenköfferchen, Bettler, Crewmitglieder, Schaulustige – alles vermischte sich zu Geschrei, Gezeter und einem babylonischen Sprachgewirr.
    »Glaubst du im Ernst, daß wir in diesem Durcheinander Sascha finden?«
    »Über’n Weg laufen wird er uns bestimmt nicht, Nicki, da müssen wir schon Eigeninitiative entwickeln.« In unmittelbarer Nähe der Gangway hatte ich mehrere Offiziere entdeckt – zumindest hoffte ich, daß es welche waren. Sie trugen zwar nur weiße Hosen und Hemden, wie viele andere auch, aber als einzige hatten sie weiße Mützen auf dem Kopf und Walkie-talkies am Ohr. An einen dieser Herren pirschte ich mich heran.
    »Entschuldigen Sie bitte, wäre es wohl möglich …«
    »Pardon?«
    Himmel ja, das war ein englisches Schiff, und da alle Engländer davon überzeugt sind, ihre Muttersprache sei die einzig richtige, das Erlernen einer weiteren also überflüssig, kam ich mit meiner höflichen Einleitung nicht weiter. Auf englisch kann ich aber nicht so höflich sein, weil mir die Vokabeln fehlen. Also noch mal von vorne:
    »Is it possible to see my son? He works on this ship as a waiter, I think in the Queens Grill.«
    Er hatte verstanden. Jedenfalls nickte er freundlich, wollte den Namen des Sohnes wissen, und als ich ihn nannte, wurde er noch freundlicher. »Oh, you mean Sascha? I know him. He’s a really nice guy.« Er quasselte etwas in sein Walkie-talkie, nickte ein paarmal zustimmend und wandte sich wieder zu uns. »They have called him out over the loudspeakers, but I’m afraid you’ll have to wait a while.«
    Wir bereiteten uns also auf eine längere Wartezeit vor, auf dem schattenlosen Kai kein reines Vergnügen.
    Andererseits hatten wir jetzt genug Muße, die vielen Passagiere zu bestaunen, die in hellen Scharen aus dem Bauch des Schiffs quollen. Es schienen größtenteils Amerikaner zu sein, von denen die meisten das Rentenalter bereits überschritten

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